Blog
  • Thema Neue Technologien
  • Thema Smart City

„Endlich raus aus der Black Box“

  • Veröffentlichungsdatum 21.02.2022
Frauke Nippel

Um das selbst gesetzte Ziel zu erreichen, bis 2045 klimaneutral zu werden, muss insbesondere die Berliner Energieversorgung für Gebäude deutlich effizienter werden. Neben baulichen Maßnahmen und dem verstärkten Einsatz von regenerativen Energien kann die Digitalisierung einen beachtlichen Beitrag leisten, wie unsere aktuelle Studie zeigt. Aber wie realistisch ist es, dass die Digitalisierung der Energieversorgung endlich Fahrt aufnimmt? Interview mit Anne-Caroline Erbstößer.

Porträt von Caroline Erbstößer

In unserer Studie heißt es, dass durch die Digitalisierung der Haustechnik im Bestandswohnungsbau Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent möglich sind. Hat Dich diese Zahl überrascht?

Anne-Caroline Erbstößer: Nein, das Ergebnis hat mich nicht unbedingt überrascht. Die Zahlen sind auch schon an anderer Stelle ermittelt worden und belastbar. Allerdings muss dafür tatsächlich eine umfassende Digitalisierung erfolgen: Das bedeutet, dass nicht nur der ganze Kreislauf vom Keller bis zum Heizköper digitalisiert wird, sondern auch äußere Faktoren einbezogen werden, zum Beispiel das Wetter über die Vernetzung mit der Wetterprognose und ähnliches. Das ist nicht immer realistisch. Tatsächlich kann aber auch ohne allzu großen Aufwand bereits viel erreichen. Denn um den bereits bestehenden Wärmekreislauf zu digitalisieren, müssen keine Wände aufgestemmt und lange Leitungen verlegt legen. Mittlerweile laufen Sensoren und Schalter meistens über Funk und können unkompliziert an die bestehenden Anlagen angeschlossen werden. Übrigens schießen auch nicht anschließend die Stromkosten in die Höhe, wie manche meinen: Denn viele Tools sind mit minimal verbrauchenden Batterien versehen oder nutzen die Solarenergie.

Es ist sicher für größere Wohnungsbaugesellschaften sinnvoll, komplexe Energiemanagementsysteme zu installieren, die auch äußere Faktoren einbeziehen und die gesamte Haustechnik vernetzen, und beispielsweise auch Verkehrsflächen oder Fahrstühle integrieren. Aber für kleine Bestände reicht für eine spürbar effizientere Wärmeversorgung häufig das Gateway im Keller und das Heizkörperventil in der Wohnung. Wer jetzt nachrüsten muss, um für das Bestandswohnhaus den Digital Readiness Index zu erreichen, der seit Neuestem gesetzlich vorgeschrieben ist, sollte gleich das große Ganze in den Blick nehmen.

Es lohnt sich und weil wir mit dem Digital Readiness Index endlich aus der Black Box rauskommen und die Energieversorgung wirklich monitoren können, werden auch die Einsparungen sichtbar werden, die sich durch die smarte Steuerung ergeben. Das macht es möglich, die Kosten besser zu verteilen: Zum einen fördert der Gesetzgeber Maßnahmen, bei denen man die Einspareffekte nachweisen kann. Und zum anderen wird der Vermieter zukünftig die Kaltmiete jeweils um so viel erhöhen können, wie der Mieter durch die effiziente Versorgung bei der Warmmiete einspart. So könnten wir endlich aus dem Mieter-Nutzer-Dilemma rauskommen, dass das Thema trotz der Dringlichkeit über lange Zeit gebremst hat.

Ich bin also für die Zukunft optimistisch, sehe aber auch die Größe der Aufgabe, die vor der  Wohnungswirtschaft liegt: Immerhin muss jeder Quadratmeter von im Mittel 40 kg CO2-Ausstoß auf nur 7 kg runter.

Was würdest Du jemandem raten, der das Thema jetzt angehen will?

Anne-Caroline Erbstößer: Ich würde Interessierten raten, in den Keller zu gehen und sich erst mal die Heizanlage anzusehen. Da nach der Wende in Berlin viel modernisiert wurde, werden viele eine Heizanlage aus dieser Zeit haben und erstaunt darüber sein, was diese Anlage schon kann. Manchmal gibt es bereits Möglichkeiten für ein automatisiertes Lastenkurvenmangement oder auch digitale Schnittstellen für die Übertragung von Daten der Verbräuche, die bisher ungenutzt sind. Eine Aufrüstung ist bei solchen Anlagen oft gar nicht so aufwändig. Da im Keller auch das Kupfer- oder noch besser das Glasfaserkabel liegt, ist der Anschluss der Anlage an das Netz wirklich leicht. Vom Keller würde ich dann hochgehen in die Wohnung und mir die Heizkörperventile genau anschauen.

Mit diesen Informationen lässt man sich dann am besten vom Spezialisten beraten. In Berlin gibt es mittlerweile viele Ingenieurbüros und Startups, die darauf spezialisiert sind, Konzepte für die Digitalisierung von Bestandsimmobilien zu erarbeiten und die Umsetzung, sowie Services rund um den Betrieb anbieten.

Konzepte und Planungen sind gut, aber wo ist die erfolgreiche Praxis?

Anne-Caroline Erbstößer: Überzeugende Beispiele gibt es in Berlin mittlerweile viele. Unter der Überschrift Vernetzte Energie im Quartier bieten wir zweimal im Jahr Veranstaltungen an, auf denen erfolgreiche Projekte vorgestellt werden, die effizient mit Energie umgehen. Dort werden Berliner Lösungen für Neubauten, aber häufig auch für Gebäude im Bestand präsentiert und vor allem wird ein Blick auf zukünftige Versorgungssysteme geworfen, der über das einzelne Gebäude hinausgeht.

Die nächste Veranstaltung findet im Rahmen der Berliner Energietage am 03.05.2022 statt. Wer da nicht kann oder sich noch umfassender informieren möchte, kann auch auf die Dokumentationen der bisherigen Veranstaltungen zurückgreifen, die wir in unserer Bibliothek zum Download zur Verfügung stellen.

 

Gebäudedigitalisierung

Der gesamte deutsche Gebäudebestand soll bis 2045 kein CO2 mehr ausstoßen. Das ist ein herausforderndes Ziel und oft ist die Ausgangslage unklar. Viele Maßnahmen sind notwendig, aber nur digitale Technologien können die Effizienz steigern und zugleich darüber informieren, wieviel ein Gebäude wirklich emittiert. Wir zeigen, wie Wohngebäude mit digitalen Werkzeugen dekarbonisiert werden können.


Zielgruppe

Immobilienwirtschaft

Energiewirtschaft