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  • Thema Neue Technologien

Energieeffiziente IKT-Infrastrukturen gesucht!

  • Rubrik Kommentar
  • Veröffentlichungsdatum 05.09.2023
Dr. Gabriele Schliwa

Was haben Katzenvideos mit dem neuesten Forschungsvorhaben unserer Kollegin Gabriele Schliwa zu tun? In ihrem Beitrag erklärt sie, warum die Energieeffizienz von IKT-Infrastrukturen wie Rechenzentren oder dem neue Mobilfunkstandard 5G gerade hier in Berlin eine immer größere Bedeutung erlangt. Ihre Studie, an der Interessierte übrigens noch bis Mitte Oktober mitwirken können, will diese komplexen Zusammenhänge besser verstehen und den ressourcenschonenden Ausbau entsprechender Infrastruktur in Berlin unterstützen.

© Unsplash/Sereja Ris

Neulich bin ich bei meiner Recherche zur Energieeffizienz von IKT-Infrastrukturen auf die Website eines bekannten Großkonzerns gestoßen und wurde dort mit folgender Frage begrüßt: „Versorgt Katzenvideo-Streaming eine ganze Stadt mit Wärme?“

Die Vorstellung, dass Katzenvideos ganz Berlin im Winter nicht nur emotional erwärmen könnten, ist erstmal kurios. Was wie eine vielversprechende Synergie zwischen Digitalisierung und Energieverbrauch anmutet, ist als Errungenschaft auf gesellschaftlicher Ebene doch eher tragikomisch. Mit meinem wachsenden technischen Verständnis sehe ich auch den dargestellten energetischen Zusammenhang zunehmend kritischer.

Ohne zu viel vom Marketing zu erwarten, illustriert die kleine Fallstudie zur Abwärmenutzung bei Rechenzentren (die folgt, wenn man auf „Sehen Sie wie“ klickt) gleich drei Trends: Erstens das Wachstum digitaler Infrastrukturen innerhalb von Städten, zweitens den immensen Energieverbrauch, der damit einher geht, und drittens die aktuelle Suche nach innovativen Lösungen, die der Tendenz des zweiten Trends entgegen wirken sollen. Im Südosten von Hanau wird momentan beispielsweise ein Rechenzentrum mit einer Kapazität von 180 Megawatt gebaut, welches somit doppelt soviel Energie verbraucht, wie die etwa 100,000 Einwohner zählende Stadt an sich. Auch hier soll die beim Betreiben der Rechner entstehende Abwärme in nutzbare Wärme umgewandelt werden.

Infrastrukturen für unsere Informations-und Kommunikationstechnologien (IKT) unterscheiden sich also von etwa Transportinfrastrukturen (wie Fahrradwege, Autobahnen oder Brücken) in einem wichtigen Punkt. Sie benötigen nicht nur regelmäßige Wartung und Reparatur, sie verbrauchen Energie allein durch ihren Betrieb. Das bedeutet: Um die Funktion von IKT-Infrastrukturen zuverlässig zu erhalten, müssen sie im Gebrauch konstant mit Strom versorgt werden. Digitalisierung bedeutet Elektrifizierung.

Dem End-User digitaler Anwendungen sind die damit vernetzten Infrastrukturen und deren Funktionsweise häufig gar nicht bewusst. Ähnlich einem Eisberg im Wasser sehen wir den Großteil davon aus unterschiedlichen Gründen gar nicht. Das Wifi im eigenen Zuhause oder im Lieblingscafé braucht lediglich ein Passwort. Den Zusammenhang zwischen Software und Stromverbrauch bemerkt man vielleicht noch, wenn man zum unpassendsten Zeitpunkt mal wieder sein Smartphone aufladen muss. Auch die Sprache der Digitalwirtschaft suggeriert endlose Verfügbarkeit an Ressourcen, Daten und Geschwindigkeit. Stößt man an die Grenzen eines Datenspeichers, kann man einfach in die „Cloud“ übergehen. Doch was hat das alles nun mit dem Himmel über Berlin zu tun?

Berlin entwickelt sich aktuell, nach Frankfurt am Main, letzteres mit dem zentralen deutschen Internet-Knoten, zur Stadt mit der größten Attraktivität für die Digitalwirtschaft inklusive zahlreicher Startups mit innovativen Geschäftsideen. Gleich und Gleich gesellt sich gern, so wird die Stadt auch für Rechenzentrumsbetreiber immer interessanter. Gründe hierfür sind etwa kürzere Wege für den Datentransport, aber auch Berlin als ein internationaler Standort, mit dem sich Großkonzerne gerne sehen lassen. Wenn bisher Rechenzentren mit einer IT-Leistung von etwa 20 Megawatt üblich waren, werden zunehmend Großprojekte von über 100 Megawatt gebaut. Diese treten medienwirksam nicht nur ins öffentliche Bewusstsein, sondern benötigen eine sorgfältige Integration in das urbane Umfeld.

Der Berliner Senat hat im Juni 2021 die Gigabit-Strategie des Landes beschlossen, um sowohl die Grundversorgung mit zukunfts-und leistungsfähigen digitalen Infrastrukturen sicherzustellen als auch neue Wirtschaftsmodelle zu ermöglichen. Im Zentrum stehen der flächendeckende Ausbau des Glasfasernetzes, der Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G, als auch die synergetische Nutzung von Infrastrukturen. Der damit verbundene Verwaltungs- und Koordinationsaufwand über zwölf Bezirke ist an sich bereits ein wertzuschätzender politischer Erfolg. Diesen gilt es nun in den kommenden Jahren gemeinsam weiterzutragen und in Berlins städtische Infrastruktur zu übersetzen.

Eine anspruchsvolle Aufgabe. Vor allem, wenn man nicht nur so schnell wie möglich infrastrukturelle Nachfragen bedienen, sondern eine sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Stadt mitgestalten möchte. Während Glasfaserkabel nachweislich und eindeutig energieeffizienter sind als Kupferkabel, stehen beispielsweise der nötige Informationsaustauch und das Schaffen effektiver Anreize zur ganzheitlich energieeffizienten Gestaltung von Rechenzentren und Software noch am Anfang.

Angesichts dieser Herausforderungen arbeite ich aktuell an einer Studie mit dem Arbeitstitel „Über die Energieeffizienz von IKT-Infrastrukturen – Perspektiven aus und für Berlin“. Diese soll einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, komplexe Zusammenhänge zwischen Energieeffizienz und digitalen Infrastrukturen (inkl. Übertragungsnetze, Mobilfunknetze, Rechenzentren, Internetknoten und Software) besser zu verstehen und deren ressourcenschonenden Ausbau auf urbaner Ebene zu unterstützen.

Welchen Beitrag das Streaming von Katzenvideos für eine Stadt wirklich leistet, ist mir momentan auch noch ein Rätsel. Es sind in jedem Fall in erster Linie rechenintensive Unternehmensanwendungen, die in Rechenzentren viel Abwärme erzeugen. Jeder Wortwitz einer knackigen Aussage oder überschwänglicher Optimismus einer Lösung darf also erstmal hinterfragt werden.

In diesem Sinne würde ich mich sehr über Informationen, Beispiele und Ideen freuen, die langfristig zu einer nachhaltigen Gestaltung von IKT-Infrastrukturen in Berlin beitragen. Bis einschließlich Mitte Oktober möchte ich herzlich dazu einladen, sich für einen Austausch bei mir zu melden. Vielen Dank!