Blog

„Die angewandte Energiewende findet im vernetzten Quartier statt“

  • Veröffentlichungsdatum 02.02.2018
Frauke Nippel

Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance, weist seit Jahren auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen hin, die mit der Energiewende verbunden sind. Im Interview erläutert sie, wo sie die Chancen für Berlin sieht. 

Bis 2050 will Berlin klimaneutral sein. Was muss die Stadt tun, um dieses Ziel zu erreichen? 

Berlin bringt gute Voraussetzungen mit, seine Ziele zu erreichen, weil die Stadt so gut vernetzt ist. Berlin hat das größte Fernwärmenetz Europas. Auch andere Bereiche wie der ÖPNV sind in Berlin sehr gut ausgebaut.

Komplexe Netze kann man heute dank der Digitalisierung sehr gut beherrschen. Es braucht keine Zentrale mehr, an der Energie erzeugt und zugeteilt wird. Die Energie für die Wärmeversorgung und die Mobilität kann dezentral aus Sonnen- oder Windenergie gewonnen werden oder auch aus der Abwärme eines anderes Netzteilnehmers kommen, der vom Konsumenten zum Produzenten mutiert. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, die sich aus der technologischen Entwicklung ergeben. 

Gleichzeitig muss in die Gebäudesanierung investiert werden, muss der Energieverbrauch von Fahrzeugen weiter reduziert werden, muss unser Umgang mit Wasser effizienter und nachhaltiger werden.

Wir sollten also Energie einsparen, den Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen und uns insgesamt auf andere Strukturen einstellen, dann ist das Ziel Klimaneutralität bis 2050 in Berlin realistisch.

Wo steht Berlin mit seiner Zielsetzung im internationalen Vergleich?

Zunächst ist es gut, wenn sich Berlin im Ranking der deutschen Bundesländer nach vorne bewegt – vom zurzeit vorletzten Platz weiter nach vorne. International liegt Berlin beim Städtevergleich im oberen Mittelfeld. Die vorderen Plätze werden fast alle von skandinavischen Städten belegt. Wenn Berlin demnächst mehr Energiewende wagt, wird es weiter aufholen können. 

Wird die Energiewende nicht sehr teuer?

Die Investitionen, die wir tätigen müssen, sind volkswirtschaftlich lohnend, weil sie wachstumssteigernd wirken, nachhaltig sind und die Energiekosten senken. Die Energiewende bringt nicht nur moderne Arbeitsplätze, sondern auch Lebensqualität in Form von besserer Luft und weniger Lärm und stellt sicher, dass wir uns modernisieren und damit wettbewerbsfähig bleiben.

Die Politik muss dafür sorgen, dass die Kosten gerecht verteilt werden. Sie kann mit Maßnahmen wie dem sogenannten „Divestment“ auch Zeichen setzen, wenn sie Unternehmen, deren Ziele der Klimaneutralität zuwiderlaufen, nicht mehr unterstützt und damit den notwendigen Druck aufbaut, damit alle mitspielen. Ich begrüße es sehr, dass Berlin sich zum Divestment bekennt und  Versorgungsrücklagen von rund 750 Millionen Euro für die Pensionen und Renten von Beamten und Angestellten umgestaltet. Das ist ein großer Fortschritt. 

 

Prof. Dr. Claudia Kemfert hat einen Gastbeitrag zu unserem Report „Vernetzte Energie im Quartier“ geschrieben. Dort werden innovative Berliner Projekte aus dem Energiebereich vorgestellt. Zum kostenlosen Download 

Vernetzte Energie im Quartier

Solaranlagen auf dem Dach, im Hintergrund eine Großstadt

Das Projekt Vernetzte Energie im Quartier trägt vorbildliche Projekte in die Fachöffentlichkeit, die einen Beitrag zum Erreichen der selbstgestellten Berliner Klimaziele leisten.