Revolution der Luftfahrt – Der Traum vom grünen Fliegen
Mit dem E-Flugzeug klimaneutral in den Urlaub fliegen, mit dem Flugtaxi von Berlin nach München reisen oder autonome Drohnen im Stadtverkehr nutzen – heute ist das alles noch Zukunftsmusik. Es wird aber längst an emissionsärmeren Flugzugantrieben, neuen Flugzeugdesigns und neuen Formen der urbanen und regionalen Mobilität geforscht. Die Herausforderungen sind dabei vielfältig. Alternative elektrische oder hybridelektrische Antriebe müssen extrem effizient sein. Flugzeugmodelle müssen aufgrund der neuen Antriebe komplett neu gedacht werden. Außerdem spielt auch die Akzeptanz der Menschen eine entscheidende Rolle.
Eine Forschungseinrichtung, die seit 2020 aufgebaut wird und neue Antriebskonzepte entwickelt, ist das Institut für elektrifizierte Luftfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Cottbus. Die Motivation des kommissarischen Direktors des Instituts, Professor Lars Enghardt, ist es, klimaneutrales Fliegen zu ermöglichen. Bevor dieses große Ziel erreicht wird, soll das Fliegen in den nächsten Jahrzehnten zunächst deutlich klimafreundlicher werden. Kleinflugzeuge wie Airtaxis könnten heute schon rein batterieelektrisch fliegen, so Lars Enghardt. „Wir sind gerade gefühlt in dem Moment bei den Automobilen, wo wir dieses Reichweitenproblem so einigermaßen in Griff haben. Wobei ich jetzt noch kein Elektroauto gesehen habe, was wirklich weiter als etwa 450 Kilometer fährt, ohne neu laden zu müssen. Bei Flugzeugen reden wir nicht von so großen Entfernungen, sondern eher so von 100-200 Kilometer Reichweite“, ordnet Enghardt den aktuellen Stand ein. Diese Technologie sei außerdem dafür bestimmt, wenige Passagier:innen zu befördern. Sobald etwa 20 Passagier:innen an Bord seien, reiche die Energiedichte von Batterien bisher nicht mehr aus, erklärt der Experte für Luftfahrtantriebe. Dann müsse auf hybridelektrische Technologien gesetzt werden. „Da hat man sich überlegt, dass man die Gasturbine in dem Fall nicht dazu nimmt, um das Flugzeug wirklich anzutreiben, sondern um einen Generator zu betreiben, der Strom erzeugt. Dieser Strom wird dazu genutzt, um verschiedene Elektromotoren, die über den Rumpf verteilt sind, entsprechend zu versorgen.“ Bei noch mehr Passagier:innen und weiteren Strecken von bis zu 2000 Kilometern werde vor allem der Ansatz der sogenannten Brennstoffzelle heiß diskutiert. Regionalflugzeuge könnten dafür mit Wasserstofftanks ausgestattet werden. Der Wasserstoff würde weitestgehend emissionsfrei über eine Brennstoffzelle in elektrischen Strom verwandelt werden und die Elektromotoren antreiben. „Dieses Flugzeug – und das ist eine schöne Zukunftsvision – würde als Abgas im wesentlichen Wasserdampf produzieren und sonst nichts.“ Im Bereich der Mittel- und Langstreckenflüge sei Kerosin aufgrund der hohen Energiedichte aber weiterhin der Goldstandard. Hier könnte statt dem Förderprodukt aus Erdöl künftig verstärkt auf synthetische Kraftstoffe gesetzt werden.
„Es muss systemisch gedacht werden.“
Diese Zukunftsszenarien würden seinen Job wesentlich spannender machen als bisher, sagt Andreas Bardenhagen. Er ist Professor des Fachgebiets Luftfahrzeugbau und Leichtbau am Institut für Luft- und Raumfahrt an der Technischen Universität Berlin. „Wir hatten die letzten 40 Jahre eigentlich ein langweiliges Leben. Die Flugzeuge sahen so aus wie immer. Nehmen Sie eine A320: Flügel, zwei Triebwerke, Rumpf, Leitwerk fertig. Der Rest ist Kosmetik“, fasst Andreas Bardenhagen die Vergangenheit seines Forschungsbereichs zusammen. Jetzt blickt er in eine wesentlich komplexere Zukunft mit unterschiedlichen Antrieben und unterschiedlichen Zielsetzungen für jedes Marktsegment. Was das letztlich für das Flugzeugdesign heißt, macht der TU-Professor anhand des Beispiels von Wasserstoff deutlich. Wasserstoff sei ein sehr guter Energieträger mit einer sehr hohen Energiedichte. Allerdings müsse er sehr kalt gehalten werden. „Wir können das Ganze gar nicht so ohne weiteres lagern. Einen Dieseltank können Sie mal zwei Wochen stehen lassen. Nach zwei Wochen ist ihr Wasserstofftank leer. Der ist einfach weggeblubbert.“ Flugzeuge könnten also nicht über Nacht stehen bleiben, sondern müssten enttankt werden. Tiefkalter Wasserstoff müsste überall auf der Welt vorrätig gehalten werden. „Denn was bringt es ihnen, mit einem Wasserstoffflugzeug nach Peru zu fliegen und dort ist kein flüssiger Wasserstoff für den Rückflug.“ Es müsse systemisch gedacht werden. Auch das bisherige Design des Flugzeuges müsste überarbeitet werden. Der Tank könnte nicht mehr in den Tragflächen liegen wie bisher. Der Wasserstofftank würde wiederum zu einer neuen Komponente im Flugzeug führen. Außerdem würden Brennstoffzellen auch neue Kühlkreisläufe innerhalb des Fliegers erforderlich machen. Darüber hinaus dürften sich an keiner Stelle des Systems größere Konzentrationen von Wasserstoff bilden, da es sonst zu Explosionen kommen könnte. Andererseits wären durch den neuen Flugzeugaufbau ganz neue Flügelformen denkbar. „Hochgestreckte sehr dünne Flügel sind aerodynamisch effizienter, sind elastischer, sind leichter“, erklärt Andreas Bardenhagen. Auch die Tatsache, dass es nun viele kleine Antriebe geben könnte, würde sich auf die Form des Flugzeugs auswirken. „Wie ordne ich die an? Wie integriere ich das? Das sind Themen, die uns bewegen.“
Der Faktor „Mensch“
In Bezug auf die Luftfahrt der Zukunft nimmt die Forschung auch die Schnittstelle von Mensch und Maschine in den Blick. Maria Stolz untersucht mit ihrem Team die gesellschaftliche Akzeptanz für unbemannte Luftfahrzeuge, also für zivilen Drohnen. Stolz ist Wissenschaftlerin am Institut für Flugführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig. Ihre Studien zeigen, dass die Akzeptanz stark von dem Einsatzzweck abhängt. „Zum Beispiel beim Deutschen Roten Kreuz gibt es schon viele Drohneneinsatzteams, die Rettungseinsätze begleiten – beispielsweise für die Lageerkundung an einem Unfall vor Ort“, erklärt Stolz. Man verschaffe sich ein Lagebild und gebe es an die Einsatzzentrale weiter. Drohnen werden heute auch schon für die Personensuche mit Wärmebildkameras eingesetzt. „Das ist zum Beispiel auch ein Use Case, der sehr stark akzeptiert wird, weil das der Bevölkerung dient. Das wird als nützlich angesehen.“ Für solche Anwendungsfälle zeige sich die Gesellschaft also offen. Anders sieht es in Bezug auf Flugtaxis aus, die unter anderem als Shuttle-Service vom Flughafen ins Umland oder innerhalb von großen Metropolen zum Einsatz kommen könnten. Hier sei die Gesellschaft noch ambivalent. Um die Akzeptanz für unterschiedliche Einsatzgebiete zu ermitteln, hat Stolz mit ihrem Team 2018 eine große Telefonbefragung durchgeführt. Die Wissenschaftlerin schildert, dass die Akzeptanz für kommerzielle Anwendungsbereiche wie zum Beispiel Lufttaxis oder auch Paketlieferung deutlich negativer ausfalle als für Einsätze im Bereich der Rettung oder Forschung. Komplett autonom fliegende Flugtaxis könnte es Prognosen zufolge bis 2050 geben, so Maria Stolz. „In den ersten Jahren ist geplant, eventuell noch einen Piloten oder eine Pilotin mit an Bord zu haben für die Übergangsphase. Aber perspektivisch soll das vollautonom laufen. Da müssen wir uns natürlich die Frage stellen, was können wir machen, damit sich die Passagiere auch sicher und komfortabel an Bord fühlen.“ Ein Feedback aus den Untersuchungen war, dass die Menschen im Notfall selbst handeln wollen „Der Mensch will eingreifen, selbst etwas tun, interagieren.“
Die 2030er – das Jahrzehnt der Elektrifizierung der Luftfahrt?
Maria Stolz ist davon überzeugt, dass Sicherheit auch in der Zukunft der Luftfahrt der entscheidende Faktor sein werde. „Das ist, was die Leute am Allermeisten interessiert, dass wir da nicht schlechter werden, sondern die Standards mindestens genauso gut aufrechterhalten.“ Aus Umfragen gehe hervor, eines der größten Bedenken sei, dass die Technologie noch unreif ist oder unsicher. Beim Thema Sicherheit sieht Lars Enghardt, Direktor des Instituts für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe, große Herausforderungen. Nicht nur das Flugzeug werde wesentlich komplexer, auch die Zertifizierungsregeln für elektrische Antriebskomponenten seien noch unklar. „Nehmen Sie nur die Brennstoffzelle. Im Luftfahrtbereich ist es tatsächlich so, dass Brennstoffzellen bisher noch nie im Linienbetrieb geflogen sind.“ Die Luftfahrtbehörden müssten sich also überlegen, welche Regeln für diese neuen Komponenten notwendig seien. Enghardt ist trotzdem zuversichtlich, dass die 2030er später mal als Jahrzehnt der Elektrifizierung der Luftfahrt angesehen werden. „Ich gehe davon aus, dass wir am Ende dieses Jahrzehnts tatsächlich Flugzeuge haben werden, die Passagiere nennenswerter Anzahl zum Beispiel von Berlin nach Mallorca werden transportieren können“, so Professor Lars Enghardt. Andreas Bardenhagen von der TU Berlin teilt diese Vision, sieht aber ebenfalls große Herausforderungen. „Die Luftfahrt ist auch ein verdammt konservatives System, weil wir einfach aus einem hohen Level an Sicherheit kommen.“ Nun müsse eine ganz neue Technologie eingeführt und dieses Sicherheitsniveau auf Anhieb erreicht werden. „Das geht nicht von heute auf morgen. Da brauchen wir Brücken, “ ist Professor Andreas Bardenhagen überzeugt. Zu einer solchen Brücke könnten dabei die synthetischen Kraftstoffe werden, bevor sich die Wasserstofftechnologie komplett etabliert.
Bericht: Lena Petersen.
Das Gespräch führte Axel Dorloff, Wissenschaftsredaktion / Chef vom Dienst rbb24 Inforadio mit
- Prof. Dr. Andreas Bardenhagen - Technische Universität Berlin, Institut für Luft- und Raumfahrt, Professor des Fachgebiets Luftfahrzeugbau und Leichtbau
- Prof. Dr. Lars Enghardt - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Kommissarischer Leiter Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe, Cottbus und Institut für Antriebstechnik, Berlin
- Maria Stolz - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Institut für Flugführung, Braunschweig
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