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Forum Wissenswerte: Die Entschlüsselung des Sonnensystems

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 11.01.2024
Michael Scherer

In der Mitte unser Star: die Sonne. Um sie herum kreisen acht Planeten auf ihren Umlaufbahnen: Das ist die Minimalbeschreibung des Sonnensystems, in dem wir leben. Unzählige Fragen dazu und zu unserer Nachbarschaft im Universum sind noch offen. Darunter der Klassiker: Gibt es im All noch andere Orte, die Leben ermöglichen? Forscherinnen und Forscher in Berlin und Brandenburg suchen nach Antworten. Ein Bericht von Anna Corves.

Wer zum Universum forscht, der braucht einen langen Atem. Das Objekt des Wissenschaftsinteresses ist teils Lichtjahre entfernt. Missionen, die Erkenntnisse bringen können, müssen über Jahrzehnte vorbereitet werden. Und so manche Raumsonde ist erstmal jahrelang unterwegs, bis sie -hoffentlich- mit riesigen Datenmengen zurückkehrt, die dann bewältigt werden wollen. Verhältnismäßig kurz erscheint daneben ein Forscher:innen- und Menschenleben. Und doch können die Expert:innen, die dem Publikum im Zeiss-Großplanetarium zum Abschluss des Wissenschaftsjahrs 2023 – Motto: Unser Universum – ihre Arbeit näher brachten, von sich behaupten, Meilensteine bei der Entschlüsselung unseres Sonnensystems miterlebt oder gar mitgeprägt zu haben.

So erinnert Frank Postberg, Professor für Planetologie an der Freien Universität Berlin, daran, dass wir noch vor 30 Jahren ausschließlich die Planeten unseres Sonnensystems kannten, also die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars sowie die vier großen Gas-Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. „Dass wir inzwischen von etwa 5.300 Planeten wissen, darunter ebenfalls Gas-, Gesteins oder Gas-Eis-Planeten, ist ein großer Fortschritt der Astronomie“, betont der Wissenschaftler.

Auch bei der Erforschung der Sonne, dem Fachgebiet von Prof. Carsten Denker vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, hat es in den letzten Jahren massive Fortschritte gegeben. Maßgeblich sind die auf die Entwicklung präziserer Teleskope und Messinstrumente zurückführen. Je größer das Teleskop, bzw. seine Öffnung, desto kleinere Details können erkannt werden. Mit 'GREGOR', dem mit 1,5 Metern Durchmesser größten europäischen Sonnenteleskop, erreicht man eine Auflösung von etwa 0,1 Bogensekunden. Man könne also Objekte von ca. 75 Kilometern Durchmesser auf der Sonne erkennen, so Denker. „Das ist angesichts der Tatsache, dass die Sonne einen Durchmesser von 2.000 Bogensekunden hat, schon ordentlich kleinteilig.“

Noch kleinteiliger ist der Forschungsgegenstand von Astrophysikerin Dr. Jenny Feige vom Museum für Naturkunde Berlin: Sie beschäftigt sich mit Sternenstaub. Explodiert ein massereicher Stern, schleudert er den Großteil seiner Materie in den Weltraum. Es bildet sich Staub, der auch in unser Sonnensystem eindringen und auf die Erde gelangen kann. Dieser Staub ist für Forscher:innen, die der Explosion von Sternen auf den Grund gehen wollen, von höchstem Interesse. Nur: Er ist so klein, dass er beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht. Jenny Feige und ihren Kolleg:innen ist es aber gelungen, sich den Staub über einen Umweg zugänglich zu machen: Bei Sternenexplosionen entsteht unter anderem Eisen-60, eine radioaktive Form von Eisen mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren. „Wenn man Eisen-60 im Staub der Erde finden kann, ist damit klar, dass der nicht von der Erde stammen kann, sondern es sich um Sternenstaub handelt – und damit um einen Nachweis für eine Sternexplosion.“ Bisher konnten sie Eisen-60 in Tiefseesedimenten finden – und so nachweisen, dass es vor rund drei Millionen sowie vor sieben Millionen Jahren Supernovaexplosionen nahe der Erde gegeben haben muss. Ein Durchbruch für das noch junge Forschungsfeld, dem sich Jenny Feige verschrieben hat.

Kein Kandidat für eine Explosion ist der Star unseres Sonnensystems: Unsere Sonne hat dafür nicht genug Masse. Aber auch sie wird vergehen. „Die Sonne ist etwa 4,5 Milliarden Jahre alt und hat damit etwas mehr als die Hälfte ihrer Lebenszeit erreicht“, erklärt Sonnenphysiker Carsten Denker. In weiteren 4,5 Milliarden Jahren wird sie sich zu einem 'Roten Riesen' aufblasen und dann langsam ihr Ende finden.

Carsten Denkers Forschungsinteresse gilt unter anderem den Sonnenflecken – Gebiete an der Sonnenoberfläche mit einem starken Magnetfeld. „Diese Sonnenflecken können sich miteinander und gegeneinander bewegen – und es kann passieren, dass sie reißen. Dann wird die Energie, die sie gespeichert haben, freigesetzt.“ Wird dabei auch Plasma in den Weltraum geschleudert, wie gerade erst im Dezember 2023, spricht man von einem 'koronalen Masseauswurf', der sich auf der Erde bemerkbar machen kann: Entweder in Form von Polarlichtern. Oder in Form technischer Störungen, etwa beim Handyempfang. „Ein starker koronaler Masseauswurf hat das Potential, große Schäden anzurichten“, so Carsten Denker. Solche Ereignisse vorherzusagen, sei bisher noch kaum möglich. Er geht aber davon aus, dass es hierbei in den kommenden Jahren Fortschritte geben wird.

Für Planetenforscher Frank Postberg war bereits 2023 das Jahr für einen großen Fortschritt mit Blick auf eine Frage, die die Fantasie der Menschheit schon seit jeher beflügelt: Kann es außerirdisches Leben geben? Gerade ist die europäische Raumsonde „Juice“ auf dem Weg Richtung Jupiter, um unter anderem mehr über den Mond 'Europa' herauszufinden, der günstige Bedingungen für Leben zu haben scheint. Auch die NASA will seine Habitabilität erkunden. Als noch heißerer Kandidat für ein lebensfreundliches Umfeld gilt aber der Saturnmond Enceladus, den auch Postberg erforscht. Bestimmte Zutaten, die als Voraussetzungen für Leben gelten, waren dort bereits vor einiger Zeit nachgewiesen worden: etwa flüssiges Wasser und verschiedene bioessentielle Elemente wie Stickstoff. Was aber noch gefehlt hatte, war der Nachweis von Phosphor. Doch im letzten Jahr wertete ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Frank Postberg Gas- und Eispartikelproben von Enceladus aus, die die Raumsonde Cassini gesammelt hatte – und sie fanden darin Phosphor. „Damit sind jetzt alle Lampen auf grün, alle Voraussetzungen für Leben gegeben. Was aber nicht heißt, dass es da tatsächlich Leben gibt“, so Postberg. Denn das sei letztlich die ganz große Unbekannte: „Wie wahrscheinlich ist es, dass sich wirklich Leben entwickelt, wenn es günstige Bedingungen gibt?“ Jetzt arbeiten die Wissenschaftler:innen an einer Mission, die auf Enceladus nach Leben suchen soll. Auch hier ist wieder der lange Atem all jener gefragt, die das Universum erkunden: Die Sonden werden erst in einigen Jahrzehnten starten können. „Vielleicht können ja meine Doktoranden irgendwann noch die Früchte der Arbeit ernten“, so die Hoffnung des Planetenforschers.

Das Gespräch führte Lena Petersen, Wissenschaftsredakteurin beim rbb24 Inforadio. Die Sendung finden Sie zum Nachhören hier: https://www.inforadio.de/rubriken/debatte/das-forum/2023/12/astronomie-astrophysik-universum-sonnensystem.html .

 

Wir danken der Stiftung Planetarium Berlin für die Einladung ins Zeiss-Großplanetarum und die Gastfreundschaft.

 

Referent:innen:

apl. Prof. Dr. Carsten Denker, Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, Abteilungsleitung Sonnenphysik

Dr. Jenny Feige, Astrophysikerin Museum für Naturkunde Berlin, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

Prof. Dr. Frank Postberg, Freie Universität Berlin, Leitung der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung

Moderation: Lena Petersen

Das Forum Wissenswerte ist eine gemeinsame Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin und rbb24 Inforadio.

Forum Wissenswerte

Die Veranstaltungsreihe zu aktuellen Technologiethemen. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.