„Digitalisierung bedeutet, vernetzt zu denken und zu managen“
Am 10.12.2018 wählte das Kuratorium der Technologiestiftung Matthias Patz, Geschäftsbereichsleiter Innovation & New Ventures bei der DB Systel GmbH, zu seinem Vorsitzenden. Wir sprachen mit ihm über die ersten Monate im Amt.
Sie sind im Dezember des letzten Jahres zum Kuratoriumsvorsitzenden der Technologiestiftung gewählt worden. Die ersten sieben Monate liegen hinter Ihnen. Was ist in dieser Zeit passiert?
Zunächst habe ich den Austausch mit den anderen Kuratoriumsmitgliedern gesucht. Ich wollte mir ein Bild machen, welche Erwartungen das Kuratorium an die Technologiestiftung, aber auch an mich in dieser Rolle hat und wie die Arbeit gesehen wird. Das waren sehr interessante Gespräche. Deutlich wurde, dass es ein großes Interesse gibt, die Arbeit noch stärker inhaltlich zu begleiten. Darauf möchte ich eingehen und den Austausch fördern.
Dafür muss sich die Arbeitsweise des Kuratoriums verändern. Ich möchte mehr Agilität, mehr Tempo. Das ist übrigens kein Thema, das nur die Technologiestiftung betrifft. Insgesamt muss man feststellen, dass die Entscheiderinnen und Entscheider häufig noch sehr traditionell arbeiten, während sich auf der Arbeitsebene schon alles verändert hat. Ich weiß, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Technologiestiftung über Gruppenchats kommunizieren, online Dokumente teilen, agile Arbeitsweisen und -methoden anwenden etc. Und ich wünsche mir, dass auch das Kuratorium auf der Höhe der Zeit arbeitet und zum Beispiel stärker digitale Formate und Werkzeuge für seine Arbeit nutzt.
Wir haben jetzt Video-Konferenzen eingeführt, bei denen sich die Kuratoriumsmitglieder online mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern effizient und ortsunabhängig zur Arbeit der Stiftung austauschen können. Wir können uns hier auch einzelne Projekte näher ansehen und uns dazu austauschen. Dieser inhaltliche Austausch ist mir sehr wichtig. Die ohne großen Aufwand durchführbaren virtuellen Termine ergänzen die halbjährlich stattfindenden Kuratoriumssitzungen. In diesen wenigen Präsenzterminen liegt der Fokus dann auf der Strategie und den Leitplanken, um richtungsweisende Entscheidungen zu treffen und der Geschäftsführung Impulse mitzugeben.
Ich bin positiv überrascht, wie gut das aufgenommen wurde und jetzt auch umgesetzt wird. Ich freue mich schon auf den nächsten virtuellen Austausch.
Mit den verschiedenen Aspekten der Digitalisierung sind Sie als Geschäftsbereichsleiter Innovation & New Ventures bei der DB Systel vertraut. Welche Themen bearbeiten Sie dort?
Die DB Systel ist mit 4.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Standorten Frankfurt am Main, Berlin und Erfurt der Digitalpartner der Deutschen Bahn - in praktisch allen Bereichen von der Infrastruktur, über die Logistik und bis zum Personenverkehr. Wir setzen Künstliche Intelligenz ein, wir nutzen das Internet der Dinge und Data Analyitcs zur Unterstützung in allen Geschäftsprozessen der Deutschen Bahn. Konkrete Projekte drehen sich zum Beispiel um vorausschauende Wartung mittels Akustikanalyse der Geräuschmuster von Fahrtreppen oder um die Pilotierung des Roboterkopfes SEMMI, der das Personal in den Bahnhöfen bei der Reisendeninformation unterstützt.
Das klingt divers, ist aber einem übergeordneten Thema verpflichtet, dem Thema, das Unternehmen Bahn mit digitalen Möglichkeiten kundennah und wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Denn wie in allen Lebensbereichen kann der richtige Einsatz von digitalen Technologien auch bei der Bahn entscheidend dazu beitragen, Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten als das bisher möglich war und gleichzeitig mehr Komfort schaffen. Wir können mit Analysen die An- und Abreise bei Großereignisse viel effizienter planen; wir können mit Bilderkennung den Zustand von Zügen oder Infrastrukturen analysieren und eine passgenaue Reinigung und Instandsetzung organisieren und ich könnte jetzt viele weitere Beispiele nennen.
Sie pendeln zwischen Berlin und Frankfurt und engagieren sich in Berlin auch in anderen Funktionen für die Entwicklung der Stadt. Wo steht Berlin und was braucht die Stadt für die weitere erfolgreiche Entwicklung?
Als geborener Berliner bin ich der Stadt sehr verbunden. Ich liebe die Offenheit, die hier herrscht. In Berlin ist einfach mehr möglich als an jedem anderen Digitalstandort in Deutschland. Aus größerer Distanz stelle ich allerdings auch fest, dass Berlin in der Wahrnehmung oft auf seine Startup-Szene reduziert wird. Dabei kann Berlin mehr als Startups gründen. Hier gibt es einen starken und innovationsfreudigen Mittelstand. Dieser Mittelstand muss stärker gesehen und mit der Digitalszene vernetzt werden.
Berlin denkt insgesamt zu wenig in Netzwerken. Dabei bedeutet Digitalisierung genau das: vernetzt denken und managen, Prozesse optimieren und Insellösungen miteinander verbinden. Es entsteht ein ganzes Ökosystem mit vielen Querverbindungen.
Städte wie St. Gallen, Hamburg oder Bad Hersfeld – das sind nun drei Beispiele, die mir einfallen, weil ich hier zuletzt interessante Gespräche führen konnte – sind weiter. Man versteht sich selbst als Player und entwickelt digitale Strategien. Sicher: In Berlin ist die Situation viel komplexer. Da ist die Bundesebene, dann kommt die Stadt, die auch ein Bundesland ist, und dann folgen die Bezirke. Hier vermischt sich alles, die Interessen sind sehr heterogen und so ergibt sich kein klares Bild. Aber wir müssen aus dem Quark kommen!
Es gibt Akteure wie die Technologiestiftung oder auch die Industrie- und Handelskammer, die gut vernetzt sind und vieles zusammenführen. Es gibt Projekte, die übergreifende Netzwerke schaffen: im wörtlichen Sinne beispielsweise das offene LoRaWAN-Netz für Berlin, an dessen Entwicklung die Technologiestiftung einen guten Anteil hat. In diesem Zusammenhang freue ich mich besonders über das CityLAB, diesen neuen offenen Ort, den die Technologiestiftung in Zusammenarbeit mit der Senatskanzlei betreibt. Es hat mich sehr gefreut, in den zurückliegenden Monaten als Kuratoriumsvorsitzender diesen Prozess mit verfolgen zu können. Ich wünsche mir mehr solcher Projekte in Berlin.