LoRaWAN: Netz für Internet of Things?
Bei uns diskutierte die Community am 5. Mai über den Stand des Netzausbaus, laufende Projekte und die Frage, wie es weitergehen soll.
Hennen, Eier und Netze
LoRaWAN kann eigentlich alles, was das Internet of Things (IoT) braucht: Es handelt sich um eine IoT-Netztechnik, die hohe Reichweiten beherrscht und damit für eine hohe Netzabdeckung wenig Gateways (Mobilfunksprech: Basisstationen) benötigt und die obendrein auf einer allgemeinzugeteilten Frequenz arbeitet, deren Benutzung nichts kostet. Die Endgeräte brauchen wenig Strom und sind relativ billig. Trotzdem sehen wir flächendeckende Netze vorrangig in Asien. Telkos halten sich in Europa ebenso zurück (oder setzen auf Mobilfunktechnik) wie Branchenfremde. Warum?
Mit dem Referenten Dr. Gerald V. Troppenz, Zenner IoT Solutions, bestand schnell Einigkeit, dass die IoT hier netzseitig ein Henne-Ei-Problem hat. So lange keine „Killeranwendungen“ da sind, die flächendeckendes Netz benötigen, sind Netzbetreiber schwer zum Aufbau von Netzen zu bewegen, da bisher noch wenig Daten zu transportieren sind. So lange keine flächendeckenden Netze da sind – auch nicht bei Technologien mit ähnlichem Einsatzzweck wie Sigfox oder narrowband-IoT (= LTE-M. für zweites Quartal 2017 angekündigt) - werden Anwendungsentwickler kaum auf eine bestimmte Technologie setzen. Anwendungen sehen wir deshalb vor allem da, wo eine Flächendeckung nicht unbedingt nötig ist. Hersteller z.B. von fernablesbaren Zählern setzen auf Zähler, die sich im Prinzip an jedes Netz anschließen lassen, obwohl diese in der Entwicklung deutlich aufwändiger sind.
Wie kommt man an ein IoT-Netz, wenn sich klassische Netzbetreiber zurückhalten? Eine Alternative kann The Things Network (TTN) darstellen. Das ist wie uns der Gründer der Berliner TTN-Community, Gerhard Peter, vorstellte ein sogenanntes Community-Netz, in dem jeder Teil des Netzes werden kann, der auf eigene Kosten ein Gateway anschafft und aufstellt. Die (überschaubare) zentrale Infrastruktur ist Kickstarter-finanziert und wird in Holland betrieben. Jeder kann sie nutzen, der seinerseits auch andere sein Gateway nutzen lässt. Die Initiatoren wollen das dauerhaft finanzieren aus Lizenzen für den Nachbau einer Gateway-Hardware, die sie entwickelt haben, und über Einnahmen aus Beratungsgeschäft und aus Mehrwertdiensten, die sie selbst über das Community-Netz anbieten. So kommt man schnell und preiswert zwar nicht völlig in die Fläche, aber mindestens da hin, wo die Nutzer sitzen – diese installieren sich ihre Gateways ja selbst. TTN wächst enorm. Auch unser eigenes Gateway läuft im TTN-Netz. Und das TTN-Gateway, das die Deutsche Bahn in Berlin auf dem Dach des Hauptbahnhofs betreibt, sorgt dank idealem Standort bereits für eine gute Abdeckung der Innenstadt. Ob das nun Community oder Shareconomy sein mag, um in abgegrenzten Regionen schnell IoT machen zu können, scheint der Ansatz gut geeignet, zumal jeder Anwendungs-Anbieter die Netzqualität dort durch eigene Gateways steigern kann, wo er Netz benötigt. Wie nachhaltig das auf Dauer funktioniert, wird man sehen. Um schnell zu lernen, wie IoT geht, ist TTN allemal sehr geeignet. Ob die Berliners Community weitere Standorte akquirieren und finanzieren kann, um die Abdeckung zu erweitern, wird man ebenfalls sehen – einige Freifunker haben zumindest angeboten, ihr Know-how zum Betrieb von outdoor-Installationen zur Verfügung zu stellen.
Von Uhren und Bienen
Im zweiten Teil des Treffens ging es um erste Anwendungen aus Berlin. Eine Pilotanwendung stellte uns Olga Willner, DB Station & Service im Detail vor: Die Deutsche Bahn hat eine Bahnhofsuhr entwickelt, die sich über LoRaWAN kontrollieren lässt, und testet gerade einige Prototypen. Der Berliner Prototyp im Bahnhof Bellevue hängt am TTN-Netz, andere an anderen Netzen. Mit LoRaWAN sieht man das Potenzial, enorme Wartungs- und Installationskosten einzusparen. Wir waren überrascht, wie komplex der Betrieb einer Bahnhofsuhr ist und haben gelernt, dass außer dem Funkempfänger für das Zeitsignal alleine drei weitere Kabel zu den Uhren führen. Wir haben dann auch sofort verstanden, warum man ein nur scheinbar banales Thema wie die Wartung von Uhren mit IoT mächtig vereinfachen kann. Eine Fernüberwachung, deren Sensorik im Fehlerfalle auch gleich meldet, was genau kaputt ist und welches Ersatzteil der Service dabei haben muss, spart ständige Kontrollgänge und beschleunigt die Reparatur. So etwas ist eindeutig mehr als nice-to-have.
Die Diskussion förderte denn aus dem Publikum noch einige weitere Berliner Anwendungen aus dem Publikum zu Tage. IoT zur Fernkontrolle von Bienenstöcken hätte ich nicht erwartet. Den Bienenstock, der über Feuchte und Gewicht meldet, dass es den Bienen gut geht, fand ich aber ziemlich faszinierend, zumal sein Erfinder mir beim Networking noch erzählte, dass er gerade an einem Bienenzähler für das Flugloch arbeitet. Weitere Anwendungsbeispiele von Berliner Anwendern reichten von der Fernwärmesteuerung über unterschiedliche Tracker und einen Füllstandsensor bis zum precision farming und einem Sensorikprojekt für Umweltdaten, an dem wir selbst gerade mit Studierenden der Beuth-Hochschule arbeiten. Kein Wunder, dass der gegenseitige Austausch von Anwendererfahrungen zu der Technologie sehr gefragt war und es nicht ganz leicht viel, von der großen Runde zum persönlicheren Kennenlernen bei Chips und Bier überzugehen.