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Mit Künstlicher Intelligenz Stadtbäume retten? Erkenntnisse aus zwei Jahren QTrees

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 02.11.2023
Myrian Rigal

Künstliche Intelligenz kennt viele Anwendungsbereiche. Auch die Smart City gehört dazu. Wie KI dabei unterstützen kann, Stadtbäume optimal zu bewässern und zu pflegen – das schauen wir uns im Rückblick von zwei Jahren QTrees an. 

Eine Gruppe von Menschen sitzt auf einer Bühne, eine Frau steht am Podium. Das Licht ist gedimmt, man sieht im Vordergrund ein Publikum.
Bei der Smart City Expo Barcelona stellte sich QTrees vor.

Kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der effizienten Bewässerung von Stadtbäumen helfen? Dieser Frage ist die Technologiestiftung Berlin im Projekt Quantified Trees (kurz: QTrees) nachgegangen, zusammen mit der KI-Agentur Birds on Mars und Vertreterinnen und Vertretern aus der Verwaltung (Straßen- und Grünflächenämter der Bezirke Mitte und Neukölln) sowie einem Sensoranbieter und einem Gießdienstleister. Als Ergebnisse sind ein KI-gestütztes Vorhersage-Modell sowie zwei Open-Source-Web-Anwendungen für Zivilgesellschaft und Verwaltung entstanden. Zeit, um zurückzublicken. Unsere Kollegin Myrian Rigal fasst die wichtigsten vier Erkenntnisse aus zwei Jahren Projektlaufzeit hier zusammen. 

Erkenntnis 1: Für komplexe Fragestellungen braucht es eine interdisziplinäre Arbeitsweise im Partner:innenverbund.

Eine Halt hält einen Sensor, der mit Erde verdreckt ist. Ein sauberer Sentor liegt auf dem Boden.
Die Stadt nutzt bereits Sensoren, die die Saugspannung in der Bodengrube eines Baumes messen. Hier sieht man einen neuen neben einem alten Sensor.

Vorweg: Auch wenn ChatGPT und Co. in aller Munde sind, ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz längst kein Allheilmittel, mit dem Herausforderungen wie der Erhalt unserer Stadtbäume zwangsläufig gelöst werden können. Nur im Austausch mit unterschiedlichsten Perspektiven können wir Technologien so entwickeln, dass sie tatsächlich bedarfsgerechte und lösungsorientierte Ergebnisse erzielen. Im Projekt QTrees haben wir KI daher als ein Instrument verstanden, um in Zusammenarbeit mit allen Expert:innen die zuständige Verwaltung zu befähigen. 

Die Baumpflege- und bewässerung ist ein komplexes Unterfangen, besonders im urbanen Kontext. Das QTrees Konsortium war geprägt von einer interdisziplinären Arbeitsweise und bestand aus Expert:innen der Bereiche Botanik, KI, Sensorik, Baumbewässerung und partizipativer Digitalprojekte. Der botanische Sachverstand kam von den Straßen- und Grünflächenämtern Berlin Mitte und Neukölln. Die KI-Expertise lieferte Birds on Mars und umfassende Erfahrung bei der Entwicklung und Umsetzung von partizipativen Digitalprojekten haben natürlich wir als Team der Technologiestiftung Berlin.

Erkenntnis 2: Um nutzerzentrierte Anwendungen zu entwickeln, ist eine iterative Vorgehensweise und frühes Feedback unabdingbar.

Im Rahmen des Projekts sind zwei Web-Anwendungen entstanden. Die App Baumblick ist eine Anwendung für die interessierte Zivilgesellschaft, um einen Ein- und Ausblick in den Zustand und die Wasserversorgung der Stadtbäume zu geben, für das Thema Baumerhalt zu sensibilisieren und einzuladen, sich für das Thema zu engagieren. Zudem wurde – exklusiv für die Verwaltung – ein Expert:innen-Dashboard entwickelt, das als Entscheidungshilfe für die Optimierung der Bewässerung von Stadtbäumen fungiert.  

 

Eine digitale Karte mit farblich markierten Flächen zeigt die Städte und ihren Baumbestand.
Die Baumblick-App zeigt in einer Kartenansicht Stadtbäume und ihre Wasserversorgung.

Für die Entwicklung der Anwendungen haben wir früh unterschiedliche Zielgruppen involviert, um das Problemverständnis besser zu durchdringen. Genutzt haben wir Miro-Boards, Workshops und Interviews mit allen Beteiligten sowie Nutzer:innen-Befragungen, um Produkte iterativ zu verbessern. Die Offenheit für unterschiedliche Expertisen und die frühe Partizipation unterschiedlicher Nutzer:innengruppen war ein wichtiger Erfolgsfaktor im Projekt. Unser Ansatz Partizipation by default hat sich hier wieder einmal bestätigt. Nur so können nutzerzentrierte Anwendungen entstehen.  

Erkenntnis 3: Um die Potenziale von Technologie für das Thema Nachhaltigkeit zu nutzen, müssen wir auch die Verwaltung befähigen.

Die Straßen- und Grünflächenämter der Bezirke koordinieren die Bewässerung und Pflege ihres jeweiligen Baumbestands. Von Anfang an Unterstützung und Expertise aus diesen Fachbereichen dabei zu haben, die nicht nur viel Wissen geteilt, sondern als zukünftige Nutzer:innen auch sehr hilfreiches Feedback geben konnte, war ein weiterer, wichtiger Erfolgsfaktor für das Projekt.  

Das bereits erwähnte Expert:innen-Dashboard ist heute schon bei zwei Straßen- und Grünflächenämtern der Stadt Berlin im Einsatz. Mit unserem Projekt hoffen wir, den Diskurs für die Notwendigkeit einer bezirksübergreifenden, digitalen Lösung zur Unterstützung der Baumpflege weiter angeregt zu haben. Im Idealfall führt aber schon die Nutzung des Expert:innen-Dashboards zu Wasser- und Zeitersparnis durch effizienteres Bewässerungsmanagement.  

Auf einem Tablet und einem Laptop sieht man verschiedene Ansichten des Experten-Dashboard zum verbesserten Monitoring von Bäumen und deren Zustand.
Mit dem Experten-Dashboard können Behörden das Monitoring von Stadtbäumen verbessern.

Erkenntnis 4: Je besser die Datengrundlage, desto genauer die Vorhersage der KI.

Für die Entwicklung des KI-Vorhersagemodells haben wir verschiedene Einflussgrößen einer Stadt untersucht, die für die Wasserversorgung von Bäumen eine Rolle spielen. Aktuell fließen Wetterdaten wie Temperatur oder Niederschlag sowie Daten zum Standort wie die Verschattung, Bewässerung und Messungen der Bodenfeuchte in das Modell mit ein. Auch Parameter zum Baum selbst wie Alter, Gattung und Größe sind wichtig, um die optimale Wasserversorgung von Bäumen besser zu verstehen.  

Im Testbetrieb haben wir jedoch festgestellt, dass die Feuchtigkeitssensoren über den Projektzeitraum immer wieder ausfielen, weshalb eine Bereinigung der Daten notwendig war. Die Sensorwerte sind also trotz starker Selektion im Schnitt leider nicht zuverlässig genug. Außerdem sind die Bewässerungsdaten zwischen den verschiedenen Quellen in ihrer Konsistenz und Aktualität nicht zufriedenstellend und haben daher bislang wenig Potenzial, die Vorhersage positiv zu beeinflussen.  

Um diesen Ungenauigkeiten bei den Daten vorzubeugen, würden wir empfehlen, mehr und vor allem berlinweit Sensormesswerte zu nutzen. Die Ergänzung unserer bisherigen Messwerte zur Bodenspannenspannenspannung durch andere Messungen könnte zu einem robusteren Ergebnis führen. Unterstützen könnten dabei beispielsweise Sensoren, die den volumetrischen Wassergehalt im Boden messen. Darunter versteht man den prozentualen Anteil des Wassers bezogen auf eine Volumeneinheit. Sinnvoll wäre es außerdem, den Fokus des Projekts auf Jungbäume zu legen, da diese stärkeren Bewässerungsbedarf haben.  

QTrees

Eine Allee mit herbstlichen Bäumen, durch die eine Straße führt.

Quantified Trees: Intelligente Bewässerungsvorhersage für Stadtbäume. Gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.