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  • Thema Neue Technologien

Neujahrsinterview mit Nicolas Zimmer

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 09.01.2024
Anna Hantelmann

Unser Wunsch ist es, eine breite Partizipation der Stadtbevölkerung zu erreichen – und dafür braucht es auch gute Moderation.

Porträt von Nicolas Zimmer

Nicolas Zimmer :
Vorstandsvorsitzender Technologiestiftung Berlin

2023 hat das Thema KI viele neue Fragen aufgeworfen. An seinem ersten Geburtstag wurde ChatGPT von einem Drittel der Deutschen genutzt. Welche Potentiale hält KI bereit und in welchen Projekten zeigten sich diese schon?

Vorweg möchte ich eins sagen: KI ist kein Allheilmittel. Es gibt viele Fragen, die sich auch ohne KI angehen lassen. Positiv für unsere Arbeit sehe ich, dass es durch Mainstream-Anwendungen wie ChatGPT eine stärkere Offenheit für Algorithmen gibt.

Da Large-Language-Modelle wie ChatGPT auf Sprache basieren, eignen sie sich besonders für textbasierte Anwendungen. So lassen sich komplexe Texte einfach und verständlich zusammenfassen. Das ist auch wichtig für Teilhabe – zum Beispiel in der Verwaltung, denn Behördendeutsch ist nicht für alle gleich verständlich. Ich sehe auch ein großes Potenzial von KI-gestützten Technologien darin, Informationen für Abgeordnete, Journalist:innen oder Bürger:innen aufzubereiten. Wenn ich schnell an Informationen komme, kann ich auf dieser Grundlage gute Entscheidungen fällen – und in meiner Stadt wirklich etwas verändern. Nur muss ich bei KI eben auch die richtige Frage stellen, um die richtige Antwort zu bekommen.

Inwiefern?

Der Output von sprachbasierten KI-Anwendungen ist natürlich nur so gut wie der zugrundeliegende Textkorpus. Das sind die sogenannten Halluzinations-Probleme: Die Antwort sieht plausibel aus und ist wohlformuliert – entspricht aber nicht unbedingt Tatsachen. Für mich ist es essenziell, Quellen der KI zu dokumentieren, um kritisch zu hinterfragen. Was die Rechtssicherheit angeht, ist das alles sehr komplex.

Weiterhin spannend finde ich Teilgebiete der KI wie das maschinelle Lernen, das bei unserem Projekt QTrees zum Einsatz kam – damit können wir anhand bestimmter Merkmale bessere Bewässerungs-Vorhersagen für Stadtbäume generieren. So unterstützen wir Grünflächenämter und Bewohner:innen beim Gießen.

Auch für die Zukunft von Open Source Software sehe ich interessante Entwicklungen im Zusammendenken von menschlichen und technischen Kompetenzen: Der kreative Teil bleibt bei Programmier:innen, für die technische Umsetzung von Standardlösungen ist die Hilfe von KI nicht mehr wegzudenken. Wir müssen uns fragen: Wie kann KI uns entlasten, damit wir uns auf Dinge konzentrieren können, in denen wir besonders gut sind?

Wie kann KI uns entlasten, damit wir uns auf Dinge konzentrieren können, in denen wir besonders gut sind?

Porträt von Nicolas Zimmer

Nicolas Zimmer :
Vorstandsvorsitzender Technologiestiftung Berlin

Vor einem Jahr feierte Berlin die neue Strategie Gemeinsam Digital: Berlin (GD:B). Was hat sich seitdem getan? Welche Lerneffekte zeigen sich und machen die Berliner:innen wirklich mit?

GD:B ist ein gutes Beispiel dafür, wie man in der Verwaltung organisations- und verwaltungsübergreifend miteinander arbeiten kann. Die Strategie ist vor allem ein Handwerkszeug, um agiles Arbeiten zu ermöglichen.

Im Rahmen des Beteiligungsprozesses haben wir insbesondere Gruppen involviert, die sonst häufig übersehen werden, etwa Senior:innen oder Menschen, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Unser Wunsch ist es, eine breite Partizipation der Stadtbevölkerung zu erreichen – und dafür braucht es auch gute Moderation. Berlin trägt in dieser Hinsicht natürlich auch besondere Verantwortung als größte Kommune und wir sind stolz, hier deutschlandweit Maßstäbe zu setzen. Außerdem legen wir Wert darauf, praktische Tools – zum Beispiel unser Handbuch Öffentliches Gestalten – auch mit anderen zu teilen.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie gelingt es, von der Masse an Möglichkeiten, die neue Technologien bieten, nicht überwältigt zu sein, sondern diese immer wieder für sich zu entdecken und nutzbar zu machen?

Mein Credo ist, bei aller Begeisterung kritische Distanz zu bewahren. Technologie ist kein Selbstzweck. Wir müssen uns verstärkt digital-ethische Fragen stellen: Wem nutzt diese Technologie? Brauchen wir sie wirklich? Ist uns bewusst, dass es sich um ein Instrument handelt? Natürlich lassen sich Entscheidungen besser fällen, je mehr technische Kenntnisse man hat. Ich finde es wichtig, sich nicht zu scheuen, kritische Fragen zu stellen.