Warum Berlin mehr offene Daten braucht – Interview mit Betül Özdemir
Für ein offeneres Berlin: Der Berliner Senat hat am 7. November 2023 eine neue Open-Data-Strategie verabschiedet. Die Strategie unterstreicht Berlins Engagement für eine datengetriebene und zukunftsorientierte Verwaltung und sieht Open Data erstmals als wesentlichen Bestandteil einer modernen, digitalen Verwaltung. Wo Berlin beim Thema Open Data steht, wer die Strategie mitgeprägt hat und was man von ihr erwarten darf, verrät uns die zentrale Verantwortliche für Open Data im Land Berlin Betül Özdemir im Interview.
Sie wissen um den Mehrwert offener Daten. Wie erklären Sie den Berliner:innen, warum unsere Stadt mehr davon braucht?
Betül Özdemir: Offene Daten sind aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung für alle Berlinerinnen und Berliner. Erstens profitieren sie von Open Data, da sie so leichter auf Informationen zugreifen können, die für ihr tägliches Leben von Bedeutung sind. Offene Daten stellen beispielsweise Informationen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Gesundheitsstatistiken, Bildungsdaten und Umweltinformationen zur Verfügung. Dadurch können die Bürgerinnen und Bürger Berlins durch bessere Informationen fundiertere Entscheidungen treffen, sei es bei der Wahl ihres Wohnorts, der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder der Bewertung von Umweltauswirkungen.
Zweitens schaffen offene Daten Transparenz in der Verwaltung. Das bedeutet, dass die Berlinerinnen und Berliner leichter nachvollziehen können, wie zum Beispiel beim offenen Haushalt öffentliche Gelder eingesetzt werden und welche Projekte in unserer Stadt geplant sind. Open Data fördert daher das Vertrauen der Berliner Bürgerinnen und Bürger in die Regierung.
Drittens eröffnen offene Daten viele Möglichkeiten für Berlinerinnen und Berliner, aktiv am Stadtleben teilzunehmen. Wenn die Informationen über unsere Stadt leicht zugänglich sind, können Menschen auf Basis von umfangreicheren Informationen bessere Entscheidungen treffen und sich in Diskussionen über lokale Angelegenheiten einbringen. Das stärkt die Demokratie und fördert das bürgerschaftliche Engagement wie auch die Bürgerbeteiligung.
Insgesamt gesehen können offene Daten dazu beitragen, Berlin zu einer effizienteren, transparenteren und innovativeren Stadt zu machen. Sie fördern die Bürgerbeteiligung, stärken die Wirtschaft und tragen dazu bei, die Lebensqualität in unserer Stadt zu steigern. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die Bereitstellung und Nutzung offener Daten in Berlin weiter voranzutreiben. Davon bin ich überzeugt und es ist meine Aufgabe, mich für mehr offene Daten in Berlin einzusetzen!
Insgesamt gesehen können offene Daten dazu beitragen, Berlin zu einer effizienteren, transparenteren und innovativeren Stadt zu machen. Sie fördern die Bürgerbeteiligung, stärken die Wirtschaft und tragen dazu bei, die Lebensqualität in unserer Stadt zu steigern.
Am 7. November wurde die neue Berliner Open-Data-Strategie verabschiedet. Was will sie im Kern erreichen?
Betül Özdemir: Die neue Berliner Open-Data-Strategie, die im Senat beschlossen wurde, beinhaltet in den einzelnen Handlungsfeldern verschiedene Maßnahmen zur Verwaltungsmodernisierung und dem strategischen Datenmanagement der Berliner Verwaltung: Sie verfolgt das Ziel, die Bereitstellung und Nutzung von Daten in der Stadt zu verbessern. Sie schafft klare Strukturen mit einer Data Governance für die Verwaltung, fördert die intelligente Nutzung von Daten durch Dritte und stärkt die Datenkompetenz der Verwaltungsbeschäftigten. Durch die Veröffentlichung von Kerndatensätzen wird Berlin zu einer offeneren und innovativeren Stadt, in der Daten zur Lösung verschiedener Herausforderungen der Stadtgesellschaft beitragen können.
Teil der Strategie war ein breiter Beteiligungsprozess. Inwiefern hat dieser Prozess die Strategie geprägt – und welche überraschenden Erkenntnisse hat es hervorgebracht?
Betül Özdemir: Der partizipative Prozess bei der Entwicklung der Berliner Open-Data-Strategie war von zentraler Bedeutung und hat die Strategie maßgeblich geprägt. Er hat nicht nur dafür gesorgt, dass die Strategie den Bedürfnissen und Erwartungen der Stakeholder aus der Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft entspricht, sondern auch überraschende Erkenntnisse und wertvolle Einblicke in die unterschiedlichen Anforderungen an Open Data geliefert.
Einer der Erkenntnisse war die Vielfalt der möglichen Anwendungsfälle von offenen Daten. Während der Diskussionen wurde deutlich, dass Daten nicht nur für Wirtschafts- und Technologieunternehmen von Bedeutung sind, sondern auch für die Verwaltung selbst. Die Prototypen wie der Schuleinzugsgebieterechner, das Organigramm-Tool oder der Wahlbezirkeeditor könnten zum Beispiel in die Verwaltungspraxis überführt und für die eigene Verwaltungsarbeit genutzt werden. Dies führte zu einer breiteren Vision von Open Data als einem Werkzeug, das die Verwaltung für die eigene Verwaltungsmodernisierung nutzen kann.
Ein weiteres überraschendes Ergebnis war der einheitliche Wunsch aller Stakeholdergruppen nach modernen Datenmanagementplattformen in der Verwaltung. Neben dem Open-Data-Portal muss es in den Behörden auch Datenmanagementplattformen für das Speichern und Teilen von Daten innerhalb der verschiedenen Verwaltungen wie Senats- und Bezirksverwaltungen aber auch den nachgeordneten Behörden geben. Diese Plattformen sollten auch die Datenqualität und Datensicherheit gewährleisten und mit modernen Tools die Möglichkeit bieten, Daten bedarfsorientiert, strukturiert und visuell ansprechend zu Informationen zu verarbeiten. Für die Verkehrsdaten wird eine erste Datenmanagementplattform von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt geschaffen, die auch den Datenaustausch mit Dritten gewährleisten soll.
Nun geht es von der Strategie in die Praxis. Wie können sich Zivilgesellschaft und andere Interessierte Akteur:innen in die Umsetzung der Strategie einbringen?
Betül Özdemir: Unser Ziel ist es, noch stärker vom Wissen und Engagement der Zivilgesellschaft zu profitieren. Deshalb werden wir zivilgesellschaftliche Austauschformate wie den Digital Open Data Lunch verstetigen. Mit diesem Format bringen wir Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter mit der Zivilgesellschaft zusammen, die wiederum von den Projekten lernen und diese auch in ihre bestehenden Plattformen integrieren können. Zuletzt haben am 26. Oktober die OK Labs Berlin und Leipzig sowie der ADFC ihre Projekte vorgestellt, mit welchen sie Daten sammeln und auf Plattformen visualisieren und veröffentlichen. So haben wir das Projekt „Berlin zählt Mobilität“ des ADFC kennengelernt, der kostenlose Zähler an die Berlinerinnen und Berliner verteilt, um Mobilitätsdaten zu sammeln. Dieses Civic Tech Projekt zeigt sehr gut, dass auch die Zivilgesellschaft die Verwaltung unterstützen kann, indem sie Daten sammelt und auf dem Open-Data-Portal zur Verfügung stellt. So kann die Zivilgesellschaft mit ihren Civic Tech Projekten die Umsetzung der Open-Data-Strategie in der Maßnahme „Open-Data-Anwendungen in Zusammenarbeit mit der Verwaltung“ begleiten. Die besten Civic-Tech-Projekte wollen wir auch auf dem Berlin Open Data Day am 30. Mai 2024 präsentieren.
Offene Daten sind ein wichtiger Baustein hin zu einer zukunftsfähigen, offenen Stadt. Welche Meilensteine wurden schon erreicht und was muss in den nächsten Jahren noch passieren? Welche Rolle spielt die ODIS dabei?
Betül Özdemir: Das Land Berlin hat sich bereits mit einer Selbstverpflichtung zur Bereitstellung der Haushaltsdaten als Linked Open Data beim vierten Nationalen Aktionsplan der Open Government Partnership beworben. Gemeinsam mit der OKFN e.V und der Senatsverwaltung für Finanzen haben wir am 5. Oktober 2023 das erste Barcamp für Linked Open-Data-Projekte mit den Haushaltsdaten und den Organigrammen der Verwaltung durchgeführt. Weitere Linked-Open-Data-Projekte werden sowohl im Rahmen von weiteren Veranstaltungen als auch mit dem Open-Data-Portalbetreiber vorgestellt und vorangetrieben.
Eine der Maßnahmen der Open-Data-Strategie fordert die Einführung und Nutzung moderner Datenmanagementplattformen, die der Verwaltung einen übergreifenden Zugriff auf große Datenmengen ermöglichen und auch den Datenaustausch mit Dritten gewährleisten. Das Mobilitätsgesetz sieht die Einrichtung einer öffentlichen Plattform für verkehrsrelevante Daten vor. Verkehrsrelevante Daten werden in einem übergreifenden Daten- und Informationssystem gebündelt und für den Austausch zwischen verschiedenen internen und externen Stellen zur Verfügung gestellt. Weitere Datenmanagementplattformen können diesem Beispiel folgen.
Die Open Data Informationsstelle Berlin hat zur Umsetzung der Maßnahme „Berliner Kerndatensätze veröffentlichen“ eine Übersicht erstellt, welche Kerndatensätze in welcher Berliner Verwaltung vorliegen könnten. Der aktuelle Stand der Veröffentlichung der Kerndatensätze wird nachverfolgt und demnächst auf der Webseite der Open-Data-Strategie präsentiert.
Nach dem Senatsbeschluss sind die Berliner Verwaltungen aufgefordert, gemeinsam mit der ODIS eine Dateninventur in ihren Verwaltungen durchzuführen. Ein „Datenmapping“ als Ergebnis der Dateninventuren ist auch ein wichtiger Schritt und eine wichtige Grundlage für die Etablierung einer Data Governance im Land Berlin. Schließlich wollen wir im Rahmen der Open-Data-Strategie ein Data-Governance-Modell für das Land Berlin vorschlagen, um die Prozesse bei der Arbeit mit Daten zwischen den Senats- und Bezirksverwaltungen sowie den nachgeordneten Behörden zu definieren.
Insgesamt sind dies wichtige Schritte auf dem Weg zur vollständigen Umsetzung der Berliner Open-Data-Strategie. Mit dem Senatsbeschluss hat sich das Land Berlin verpflichtet, den Nutzen von Open Data weiter zu maximieren und den Umfang der veröffentlichten Daten kontinuierlich zu erweitern, um den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden.
Frage: Zu guter Letzt: Was ist Ihr Lieblingsdatensatz im Open-Data-Portal?
Mein Lieblingsdatensatz sind die Baumkatasterdaten, weil viele Anwendungen aus diesem Datensatz entstanden sind wie „Gieß den Kiez“.
ODIS
Die Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) begleitet die Stadt auf dem Weg zu einer partizipativen, nachhaltigen und datengetriebenen Gesellschaft mit dem Schwerpunkt auf die Bereitstellung und Nutzung offener Daten.