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Innovative Ideen für die Stadt der Zukunft beim ersten City Science Slam im CityLAB Berlin

  • Veröffentlichungsdatum 26.11.2019
Frauke Nippel

Wenn Dr. habil. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) an die Zukunft der Mobilität denkt, ist er optimistischer als er es jahrelang war. Wieso, erzählte er beim ersten City Science Slams am 13. November im ausgebuchten CityLAB. Die Besucher*innen konnten außerdem fünf innovative Ideen für Stadt der Zukunft kennenlernen und bekamen gleich ein paar Anregungen an die Hand, wie solche Innovationen zu bewerten sind. Am Ende gab es viel Beifall für alle Beteiligte.

 

Weniger Autos - mehr Platz für alle

Nur für rund 30 Prozent aller Wege, die in der Stadt zurückgelegt werden, wird das Auto genutzt. Es beansprucht aber rund 60 Prozent der Verkehrsflächen. Gleichzeitig ist es für einen großen Teil der Emissionen verantwortlich. Zwar wird das einzelne Auto immer „sauberer“; der steigende Verkehr und die größer werdenden Karossen (Stichwort SUVs) fressen diese positiven Effekte aber praktisch auf. Das Elektroauto, das 1:1 das konventionelle Auto ersetzt, wird an der Situation nicht viel ändern. So fasste Canzler die Ausgangssituation zusammen. Dass er trotzdem verhalten optimistisch ist, hängt zum einen mit der steigenden Bedeutung von Fahrrädern zusammen. Zum anderen bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten, um Fahrzeuge zu teilen, Wege intermodal zurückzulegen – also Teilstrecken mit dem jeweils besten Verkehrsmittel zu bewältigen – und damit die benötige Menge der Autos deutlich zu reduzieren.

Doch die Städte sollten nicht nur auf die technologische Entwicklung bauen, sondern das Auto aktiv aus der Stadt verbannen. Ein gutes Beispiel sieht Canzler in Amsterdam, wo jährlich 1.200 Parkplätze rückgebaut werden. Mehr vernetzter Verkehr und politische Steuerungsmaßnahmen könnten im verdichtet Stadtraum jedenfalls tatsächlich endlich eine Wende herbeiführen. Am Ende würden die Stadtbewohner*innen sich viel Raum zurückerobern und die Stadt deutlich grüner sein als wir sie heute kennen.

Mit seinen Thesen zum Verkehr der Zukunft hatte Canzler die Bühne gut vorbereitet für die fünf Slamer*innen, die nach ihm kamen und ihre Ideen präsentierten. Wir wollen sie hier kurz vorstellen.

Mit Rechenmodellen gegen die German Angst vor dem Elektroauto

Für Canzler ist das Elektoauto nicht die Lösung unserer Verkehrsprobleme, wenn es wie ein herkömmliches Auto ins Verkehrsgeschehen integriert wird. Dennoch liegt auf der Hand, dass es für die Innenstädte bereits eine Entlastung wäre, wenn Lärm und Emissionen, die mit Benzin angetriebene Fahrzeuge produzieren, aus den Innenstädten verschwinden würden. Allerdings tun sich die Menschen schwer, auf das E-Auto umzusteigen. Ein Grund: die Reichweite der Batterie scheint vielen nicht kalkulierbar. Slamer Johannes Kretzschmar von der Friedrich-Schiller-Universität Jena sprach sogar von der „German Angst“ vor dem E-Auto. Ganz von der Hand zu weisen ist es ja auch nicht: Batterien reagieren deutlich empfindlicher auf äußere Einflussfaktoren als mit Benzin angetriebene Motoren. Wenn es draußen kalt ist, hält die Batterie kürzer durch als an einem warmen Tag etc. In Zeiten der Digitalisierung können solche komplexen Zusammenhänge und deren Auswirkungen natürlich eher berechnet werden als bisher. Ein entsprechendes Modell stellte Kretzschmar vor – und wurde für seinen sehr witzigen Vortrag und die präsentierte Lösung vom Publikum zum Slamer des Abends gekürt.

 

Schwerlastfahrrad für die letzte Meile

Auch Luise Braun aus der Produktentwicklung der Ononmotion/Tretbox GmbH beschäftigte sich mit der Frage, wie man den bestehenden Verkehr „reformieren“ könnte, genauer: die Paketzustellung. Dass sich auf diesem Gebiet möglichst bald etwas tun muss, liegt auf der Hand. Denn die Zahl der Pakete steigt kontinuierlich. Waren es 2018 bereits über 3,5 Milliarden(!) Pakete, werden es 2023 4,5 Milliarden sein. Kurierfahrzeuge verstopfen die Straßen und bieten eher unattraktive Arbeitsplätze. Dabei ist das Problem vor allem die letzte Meile, für die insbesondere in der Stadt nicht unbedingt ein Auto benötigt wird. Für diese letzte Meile wurde deshalb ein Schwerlastenfahrrad konzipiert, das zu einem nachhaltigen Lieferverkehr in der Stadt beitragen könnte.

Assistenzsysteme und Akzeptanz für ältere Verkehrsteilnehmer*innen

Neue oder technologisch aufgerüstete Verkehrsmittel sind auch für die wachsende Zahl von älteren Menschen interessant, deren Mobilität eingeschränkt ist. Der Humangeographiker Florian Breitinger von der Technischen Universität Berlin hat Interviews mit „Betroffenen“ geführt – im Gehen, wie er betont, um einen praxisnahen Einblick zu gewinnen. Dabei war er beeindruckt davon, wie schnell Stufen und andere Hindernisse im Straßenverkehr, die in seinem Alltag kaum ein Problem darstellen, für mobilitätseingeschränkte Menschen zu echten Stolpersteinen werden können. Deshalb plädiert er nicht nur für besseres Equipment und eine möglichst moderne Infrastruktur, sondern auch für eine entsprechende Sensibilität gegenüber älteren Verkehrsteilnehmer*innen.

Scientists for Future

Biologe Benjamin Herzog schlug vor, überall in der Stadt Algenboxen aufzustellen, um die Stadt der Zukunft zu gestalten. Die Algenteppiche könnten nicht nur die Luft reinigen, indem sie der Luft den Stickstoff entziehen. Sie sind auch ein Stück Natur im Stadtraum und öffnen Räume für mehr Biodiversität und damit mehr Lebensqualität in urbanen Räumen. Solche Träume von der grünen Stadt hören sich vielleicht für manche utopisch an. Sie könnten aber Wirklichkeit werden. Die Boxen jedenfalls gibt es schon.  

 

Erfolg mit Innovation ist keine Glückssache

Coole Ideen kamen also von allen Slamer*innen. Da war es für das Publikum doch hilfreich, dass Robin Tech (Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und WZB) erläuterte, wie man innovative Ideen auf ihr Potenzial untersuchen kann. Schließlich wird nicht jede Idee zu jedem Zeitpunkt erfolgreich. Wer Innovationen zum Erfolg führen will, braucht einen langen Atem und ein Umfeld, das zumindest keine weiteren Schwierigkeiten bei der Einführung erwarten lässt. Das hat aber nichts mit Glück zu tun. Robin Tech, Unternehmer, Designer und Wissenschaftler in einem, zeigte, wie man Innovationen objektiv bewerten und Vorhersagen über den Erfolg (oder Misserfolg) eines Produktes machen kann.

Die kurze Zusammenfassung der Slams gibt natürlich nichts von der Stimmung wieder, die über den gesamten Abend im CityLAB zu spüren war. Das Ganze hat allen spürbar viel Spaß gemacht – Spaß, der auch klüger machte – besser geht es nicht! Zum Schluss ein paar Impressionen.

  • Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann
  • Weert Canzler; Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann
  • Johannes Kretzschmar; Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann
  • Florian Breitinger; Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann
  • Luise Braun; Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann
  • Robin Tech; Foto: Florian Reimann
  • Foto: Florian Reimann

CityLAB Berlin

Gut gelaunte Menschen stehen vor dem Eingang des CityLABs

Im CityLAB wird Innovation und Partizipation zusammen­gedacht: Verwaltung und Stadtgesellschaft arbeiten hier gemeinsam an Lösungen für das digitale Berlin von Morgen.


Zielgruppe

Stadtgesellschaft und Verwaltung