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„Wir brauchen die Daten, um die Gebäude zu verstehen“

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 28.02.2022
Frauke Nippel


Ob Café, Wartezimmer oder Konferenzsaal – viele Menschen in einem Raum “verbrauchen” die Luft; das Infektionsrisiko steigt und die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Das Projekt COMo - CO2-Monitoring in öffentlichen Räumen hilft Betreiber:innen öffentlicher Räume, die Luftqualität in den Räumen zu verfolgen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Wir sprachen darüber mit Prof. Birgit Müller von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), die das Projekt wissenschaftlich begleitet.

 

Copyright: HTW Berlin; Alexander Rentsch

In Pandemie-Zeiten haben wir gelernt, wie wichtig frische Luft für unsere Gesundheit ist und dass wir geschlossene Räume regelmäßig lüften sollten. Kann man sagen, wann und wie man am besten lüftet?

Prof. Birgit Müller: Tatsächlich weist eine kürzlich an der TU Berlin, dem Hermann-Rietschel-Institut erschienene Studie nach, dass das Risiko, sich mit der Delta-Variante des Coronavirus anzustecken, in einem geschlossenen Raum um das 7fache niedriger ist, wenn er gut belüftet ist. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist.

Leider kann man aber keine pauschalen Hinweise geben. Räume sind zu unterschiedlich. Den einen Raum kann man querlüften, der andere hat nur ein Fenster. Und selbst, wenn man sich auf einen Raum konzentriert: In der kalten Jahreszeit findet wegen der Temperaturunterschiede von draußen und drinnen ein größerer Luftaustausch statt als im Frühling und Sommer. Außerdem verhalten sich die Menschen in Restaurants ganz anders als im Bürgeramt oder im Fitness-Studio.

Es ist deshalb auf jeden Fall sinnvoll, die Luftqualität zu messen. Da die CO2-Konzentation in der Luft ein guter Parameter ist, reicht dieser Wert bereits, um Aussagen zu machen. Aber auch hier stellen sich schnell Fragen: Wie oft messe ich die Luftqualität? Alle 2, alle 5 oder alle 10 Minuten? Wo bringe ich die Sensoren an? Mit welchem Protokoll übertrage ich die ermittelten Daten? Und: Wie bereite ich sie so auf, dass sie für den Betreiber des Raumes gut verständlich sind und er sich danach richten kann?

Im Projekt COMo werden wir alle diese Fragenkomplexe behandeln. Am Ende wird es einen Leitfaden für die Belüftung von unterschiedlichsten Räumen geben, weil wir Prognosen dazu abgeben können, wie sich die Luftqualität in verschiedenen Räumen entwickeln wird. Wir werden außerdem eine nutzerzentrierte Plattform für das Luftmonitoring zur Verfügung stellen.

Ich bin froh, dass wir für dieses komplexe Projekt ein gutes Team haben: Da sind die Claire-Initiatoren Dr. Ulrich Schuster und Jan Weill, die technisch wichtige Vorarbeit geleistet haben, auf der wir im Team aufbauen und gemeinsam weiterentwickeln können. Da ist die Technologiestiftung, die unter anderem das Projektmanagement übernommen hat, und da sind wir von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Wir machen die wissenschaftliche Begleitung. Es ist mir wichtig, dieses Team hier ausdrücklich hervorzuheben.

 

Haben Sie schon alle Räume festgelegt, in denen sie messen wollen, oder kann man sich noch melden, um teilzunehmen?

Prof. Birgit Müller: Wir, vor allem die Technologiestiftung, sind zurzeit schon unterwegs, um Räume auszurüsten und machen dabei die ersten Erfahrungen bei der Anbringung der Sensoren und der Datenübertragung. Wir haben auch schon unterschiedlichste Räume dabei. Sogar das Planetarium beteiligt sich und hat uns vor die interessante Frage gestellt, ob und wie wir das Design der Sensoren auf die Umgebung anpassen können, in der sie hängen.

Aber tatsächlich würde ich sehr gerne noch zwei Kategorien von Räumen einbeziehen, die uns noch fehlen: Das sind zum einen Bürgerämter. Ämter müssen wir alle manchmal aufsuchen. Diese sind also zentrale öffentliche Orte und außerdem arbeiten dort viele Menschen den ganzen Tag. Dabei gibt es vom Großraumbüro mit zentralem Wartebereich bis zum Einzelbüro mit dem Stuhl fürs Warten im Flur alle möglichen Varianten, die wir uns anschauen müssten. Ich würde das sehr gerne machen. Und: Ich könnte mir auch vorstellen, Arztpraxen noch näher zu untersuchen.

 

Haben Sie als Professorin für Gebäudetechnik den Eindruck, dass die Akzeptanz für technischen Aufrüstungen in Gebäuden zunimmt?

Prof. Birgit Müller: Ja, das Thema geht voran. Aber wir müssen darauf achten, dass es auch bei den Endverbrauchern ankommt und sie mitnimmt. Dafür müssen die Berechnungen realistischer werden. Wir sollten beispielsweise bei unseren Auslegungen nicht mit einer Innenraumtemperatur von 20 Grad arbeiten, wie es zurzeit passiert. Damit beschummeln wir uns nur selbst. Real liegen nun mal die Innenraumtemperaturen bei 22 bis 23 Grad deutlich höher. Und von diesen wirklichen Bedürfnissen sollten alle Überlegungen ausgehen, um wirklich den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken. Auch sollte noch mehr darauf geachtet werden, dass die ermittelten Daten verständlich aufbereitet werden und den Menschen wirklich die gewünschten Informationen liefern.

In Fachkreisen gibt es keine Akzeptanzprobleme mehr. Alle, die mit Bauen zu tun haben, wissen, dass wir die Daten brauchen, um die Gebäude zu verstehen und „richtig“ einzustellen.

 

COMo-Berlin: CO2-Monitoring in Innenräumen

Eine Hand öffnet ein Fenster.

Das Projekt COMo hilft Betreiber:innen öffentlicher Räume, die Luftqualität in den Räumen zu verfolgen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren.