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Vernetzte Energie im Quartier #7 – Call to Action

  • Veröffentlichungsdatum 12.12.2018
Dr. Dieter Müller

Zum siebten Mal haben sich Energieexpert*innen in der Technologiestiftung am 6. Dezember 2018 zusammengefunden, um beispielhafte Lösungen zur Erreichung der Berliner Klimaziele vorzustellen und zu diskutieren. Wie auch in der Vergangenheit hatten wir die Umsetzung von Konzepten in einem vernetzten Quartier im Fokus. Themenschwerpunkt diesmal: Prosuming aus Sicht von privaten Betreibern und kommunaler Betriebe. Daneben ging es um die Frage nach besseren Rahmenbedingungen für Mieterstrominitiativen und Quartiersprojekte.

Die UN-Klimakonferenz in Katowice (COP 24) war für uns Anlass, in einem Warm Up neuere Erkenntnisse zur Entwicklung des Weltklimas zusammenzufassen und so erneut die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen hervorzuheben. Und da nach Prognosen der UN bis 2050 in den entwickelten Ländern etwa 85 Prozent der Bevölkerung in Städten leben werden, sind gerade dort Maßnahmen besonders wichtig, um den Klimawandel zu begrenzen.

Berlin will gesetzliche Rahmenbedingungen für Solarenergienutzung verbessern

Hier konnte Dr. Felix Groba von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe direkt anknüpfen. Wir hatten ihn gebeten, die aktuelle Berliner Bundesratsinitiative „Einbeziehung der urbanen Zentren in die Energiewende“ vorzustellen, die einige der für den Ausbau von lokalen Stromnetzen hinderlichen Rahmenbedingungen des Erneuerbare Energien-Gesetz beseitigen will. Denn Berlin könnte mit Solarenergie rund 25 Prozent des Strombedarfs decken, derzeit sind aber die Anreize für Mieterstromanlagen gering bzw. unterliegen diese teilweise nicht nachvollziehbare Einschränkungen: So besteht bei Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) eine Beschränkung auf 100 KWp je Gebäude, was dazu führt, dass Projekte unnötig klein gehalten und Dachflächenpotenziale verschenkt werden. Gewerbeimmobilien werden gänzlich ausgeschlossen, was eine weitere Verringerung der Nutzungspotenziale darstellt. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hält im „Eckpunktepapier Mieterstrom“ (2017) fest: „Die bestehenden steuerrechtlichen Regelungen stellen für das Angebot von Mieterstrom ein erhebliches Hemmnis dar“ und weiter: „Im Hinblick auf die zunehmende Kopplung der Sektoren Strom und Wärme ist eine Differenzierung zwischen Strom- und Wärmelieferung zudem nicht mehr sinnvoll“. Dr. Felix Groba konnte mitteilen, dass neun der 14 Änderungsvorschläge Berlins angenommen wurden (Bundesrat Drucksache 563/18) und schloss mit Erläuterungen zum weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens und einem Ausblick.

Synergien durch nachbarschaftliche Kooperation

Nach diesen Erläuterungen zur Entwicklung von Rahmenbedingungen hatte dann Marion Bühl von der Berliner Stadtreinigung (BSR) die Bühne, die das Projekt „Smart Business District“ des InfraLab vorstellte. Es ist Teil des BEK-Umsetzungskonzeptes und soll unternehmens- und sektorenübergreifend Synergien schaffen. Durch Nutzung der räumlichen Nähe von Berliner Wasserbetrieben (BWB) und BSR und damit gemeinsame Planung und Entwicklung von Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung, zur Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Nutzung von elektrischer und von Wärmeenergie, gemeinsamen E-Mobilitätsinfrastrukturen u.a.m. entsteht ein wirkliches Leuchtturmprojekt der öffentlichen Unternehmen in Berlin-Steglitz. Dieses wiederum soll durch ein Ausbildungszentrum für die Nachhaltigkeit der entstandenen Maßnahmen sorgen und durch Fachkräfteentwicklung die Umsetzung ähnlicher Projekte unterstützen.
Als Vertreterin eines privatwirtschaftlichen Unternehmens stellte Salomé Klinger im Anschluss Konzepte der Naturstrom AG zur Vernetzung der Energie im Quartier dar. Das seit 1998 bestehende Unternehmen legt seinen Projekten ein ganzheitliches Konzept der energetischen Vernetzung der Quartiere zu Grunde. Neben den erwartbaren Faktoren der Energieerzeugung und -verteilung, von Datenerfassung und –management über E-Mobilität und Logistik werden auch die Ökologie und Ökonomie der Flächen sowie das Leben im Quartier mit einbezogen. Das war auch die Maßgabe bei der Entwicklung des Projektes Möckernkiez am Gleisdreieckpark mit 471 Wohnungen und 20 Gewerbeeinheiten. Die errichtende Genossenschaft legte großen Wert auf selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen und ein nachhaltiges Energiekonzept. So wird der Wärme- und Strombedarf (2.000 MWh bzw. 1.500 MWh) über ein Biomethan-BHKW sowie über fünf PV-Anlagen mit 135 kWp gedeckt. Die Gebäude werden über ein Nahwärmenetz beheizt, der Strom als Mieterstrom auch an Ladestationen für E-Mobilität verteilt. Am Mieterstrom beteiligen sich 90% der Bewohner, da der Tarif gegenüber den klassischen Versorgern deutlich vorteilhafter ist.
 

Hirnschmalz vor Styropor

Im Anschluss an die Vorträge hatten alle Besucher Gelegenheit mit den drei Vortragenden zu diskutieren, wovon lebhaft Gebrauch gemacht wurde. Themen waren hier u.a., wie der netzdienliche lokale Einsatz von Speichern adäquat unterstützt werden könne bzw. eine Regelung auf städtischer Ebene aussehen kann, die den Austausch von Strom über Grundstückgrenzen zulässt.

Schließlich wurde beschlossen, auf Basis der versammelten Expertise mit einem Whitepaper o.ä. an die Landespolitik heranzutreten und Vorschläge zur Lösung einiger Problemfelder zu machen – Kernsatz: Hirnschmalz vor Styropor – und Mittel des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Programm „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ zu beantragen.