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3x nachgehakt: Almut Pape, Projektleitung Webarchiv, Zentral- und Landesbibliothek Berlin

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 10.04.2024
Anna Hantelmann

Wir stellen drei Fragen an Digital-Praktiker:innen, deren Themen uns bewegen. Dieses Mal an Almut Pape, die uns als Projektleiterin für das Webarchiv der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) verrät, inwiefern das Internet zum kulturellen Erbe Berlins gehört – und warum sie sich mehr Bewusstsein für die Archivierung von Alltagskultur à la Twitter wünscht.

#1 Was hat die Archivierung des Internets mit Bibliotheken zu tun? Oder anders gefragt: Warum beschäftigt sich die ZLB mit dem Aufbau eines Webarchivs?

Das Internet ist heute das Medium, über das wir uns darstellen und verständigen, das uns ständig umgibt und unsere Wahrnehmung prägt.

Wir gehören zu den Gedächtnisinstitutionen unserer jeweiligen Länder, genau wie Museen. Als ZLB sind für die Bewahrung alle Schriftzeugnisse mit Berliner Impressum verantwortlich. Dieses Jahr schreiben wir 200 Jahre Pflichtexemplar – so lange gibt es schon Gesetze, die regeln wie Landesbibliotheken schriftliches kulturelles Erbe bewahren können. Dazu gehören mittlerweile auch elektronische Medien wie E-Books, PDFs, Online-Magazine oder Webseiten. Der Aufbau unseres Webarchivs geht noch einen Schritt weiter. Hier stellen wir uns die Frage: Was macht im Zeitalter von Social Media & Co unser kulturelles Gedächtnis aus?  

#2 Wie wird ausgewählt, welcher Teil des Webs am Ende Kulturerbe ist und archiviert werden soll?

Das ist eine schwierige Frage. Aus Bibliotheken-Perspektive ist unser Ziel die möglichst vollständige Bewahrung des schriftlichen kulturellen Erbe Berlins. Die schiere Menge an digitalen Inhalten stellt uns allerdings vor die große Herausforderung, Kriterien aufzustellen und eine Auswahl zu treffen – und darin steckt eine große Macht. Wer bestimmt, was bewahrt werden soll, und wie können wir diese Entscheidung öffnen, um für Beteiligung zu sorgen?

Nehmen wir das Beispiel Social Media: Das ist eine ganz eigene Form der Veröffentlichung, bei der die Nutzer:innen oft einen Account brauchen und Konzerne bestimmte Regeln setzen – das sind erstmal Barrieren. Gleichzeitig ist das Internet eine viel demokratischere Form der Veröffentlichung als das Buch, denn im Netz kann jede Person veröffentlichen.

Die deutsche Nationalbibliothek hat etwa eine Initiative gestartet und dazu aufgerufen, Daten zu spenden, bevor Twitter, wie wir es bisher kennen, verschwindet.

#3 Was benötigen wir in Berlin, um – auch im internationalen Vergleich – den digitalen Kulturwandel mitzugestalten und wie geht es mit dem Webarchiv jetzt weiter?

Erstmal brauchen wir ein Bewusstsein für das Thema, denn gerade im internationalen Vergleich ist Webarchivierung in Deutschland immer noch ein Randthema.

Letztendlich brauchen wir ein anderes Kulturverständnis. Denn nicht nur Hoch- sondern auch Alltagskultur ist es wert, bewahrt zu werden.

Aktuell entwickeln wir in der ZLB ein Pilotprojekt für eine erste Sammlung. Dabei streben wir nicht etwa ein großes Webarchiv an, sondern thematische Sammlungen, für die wir mit spezifischen Zielgruppen zusammenarbeiten können. So machen es auch Kolleg:innen in anderen Ländern und so können auch wir schrittweise besser werden: Wie hat der Beteiligungsprozess funktioniert? Wer hat teilgenommen? Können wir Vertrauen aufbauen? Dazu fangen wir in Berlin jetzt mit zeitgenössischer Stadtgeschichte, Kiez- und Nachbarschaftsgeschichten von Initiativen & Co. an. Letztendlich ist die Frage: Wer antwortet, wenn wir in die Stadt hineinrufen?