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  • Thema Smart City

Ein Erfrischungsupdate

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 27.06.2023
Klemens Maget

Wo an heißen Tagen in Berlin erfrischen oder schattige Plätze finden? Und wie unterscheiden sich eigentlich die Temperaturverhältnisse im Stadtpark und auf der Straße? Die Berliner Erfrischungskarte hilft dabei, klimatische Unterschiede in der Stadt besser zu verstehen und erfrischende Orte zu finden. Die Webkarte des Berliner Stadtgebiets visualisiert Temperatur-, und Kaltluftverhältnisse sowie Schattenbereiche. Zudem werden verschiedene Orte, wie Freibäder, Grünanlagen und Wasserspielplätze angezeigt, an denen sich die Bürger:innen in Berlin an heißen Tagen erfrischen können. Die Erfrischungskarte wurde von der ODIS entwickelt, ist als Open Source-Anwendung konzipiert und nutzt verschiedene offene Datensätze der Berliner Verwaltungen. Was die Anwendung so besonders macht, welche Relevanz sie im Kontext von Klimakrise und Stadtentwicklungsfragen hat und auf welche Updates sich Nutzer:innen in diesem Jahr freuen dürfen, erzählt unser Kollege Klemens Maget in diesem Beitrag.

Wie ist die Idee hinter der Erfrischungskarte und wie ist sie entstanden?

Klemens Maget: Die Idee zur Erfrischungskarte wurde vor zwei Jahren in unserem ODIS-Team entwickelt. Meine ehemalige Kollegin Evelyne Brie ist auf ein Tutorial gestoßen, um aus einem Digitalen Geländemodell den Schattenwurf zu berechnen. Dabei hat sie festgestellt, dass die offene Datenlage eine solche Berechnung auch für den Berliner Stadtraum ermöglicht. Sie stellte das Vorgehen in einem internen Format vor, dass sich Pitching Club nennt. In der teamübergreifenden Diskussion wurde dann schnell erkannt, dass es noch viel mehr interessante offene Daten in diesem Kontext gibt und die Idee der Erfrischungskarte war geboren. Das Ziel der Erfrischungskarte ist es, den Berliner:innen an heißen Tagen zu helfen, kühle und erfrischende Orte im Zuge der Klimafolgen für die Stadt zu entdecken und ganz nebenbei den Mehrwert offener Daten im Kontext der Stadtentwicklung für Verwaltung und Zivilgesellschaft sichtbar zu machen.

Für Euch als ODIS stehen natürlich offene Daten im Vordergrund. Auf welche  greift ihr zurück?

Klemens Maget: Der Mehrwert offener Daten ergibt sich vor allem dann, wenn man viele von ihnen intelligent miteinander verknüpft. Dafür ist die Erfrischungskarte ein gelungenes Beispiel. Neben dem Geländemodell, aus dem sich die Schatten berechnen, nutzen wir ein Klimamodell der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sowie eine Vielzahl an „Erfrischungsorten“ aus unterschiedlichen Quellen. Die Standorte der Badestellen und Strandbäder stammen wiederum vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo). Und die Koordinaten der Grünanlagen wurden aus einem Datensatz zum öffentlichen Grünanlagenbestand erstellt. Dieser wird durch die bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter gepflegt und im Berliner Geodatenportal zur Verfügung gestellt. Bänke, Picknicktische und Trinkbrunnen wurden aus Open Street Map exportiert, einer frei zugänglichen Sammlung von Geodaten.

Warum gab es jetzt ein Update? Welche Änderungen haben sich daraus ergeben?

Klemens Maget: Die Erfrischungskarte ist in der Stadtbevölkerung sehr beliebt und hat auch medienseitig einiges an Interesse geweckt. Wir werden immer wieder auf die Hintergründe, die zugrundeliegenden Daten und Berechnungen angesprochen. Im Austausch mit dem Klimaschutz-Team des Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ergab sich der Impuls, dass Daten zu öffentlichen Toilettenstandorten die Erfrischungskarte aufwerten und sinnvoll erweitern könnten. Also haben wir beschlossen der Webkarte ein Update zu verpassen, um jetzt im Hinblick auf die besonders heißen Tage in der Stadt eine möglichst aktuelle Erfrischungskarte anzubieten. Konkret haben wir den Datensatz zu über 400 öffentlichen Toiletten aufgenommen, bei dessen Veröffentlichung wir dieses Jahr die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt unterstützt haben. In dem Zuge haben wir dann auch überprüft, ob die Daten zu den Bademöglichkeiten noch aktuell sind und aus dem Open-Street-Map Datenbestand aktualisierte Standorte zu Trinkbrunnen, Picknicktischen und fast 6.000 neu erfassten Sitzbänken aufgenommen. Außerdem haben wir als neues Feature offene Wetterdaten des Deutschen Wetterdiensts über die Open-Source API BrightSky integriert. Damit lässt sich in der Erfrischungskarte die aktuelle Wetterlage für jede Stunde am Tag einsehen. Jetzt sind wir natürlich gespannt auf das Feedback der Bürger:innen, denn von diesem Input lebt gutes Prototyping.

Der Mehrwert offener Daten ergibt sich vor allem dann, wenn man viele von ihnen intelligent miteinander verknüpft. Dafür ist die Erfrischungskarte ein gelungenes Beispiel.

Klemens Maget, Wissenschaftlicher Mitarbeiter ODIS

Klemens Maget im Freien bei der Arbeit am Tool
Am besten lässt sich das Update für die Erfrischungskarte natürlich im Freien testen

Für wen ist das Tool relevant?

Klemens Maget: Die Erfrischungskarte würde ich prinzipiell jeder Person empfehlen, die im Alltag oder der Freizeit auf der Suche nach Orten zum Abkühlen ist oder sich zum Mikroklima der Stadt informieren möchte. Ich könnte mir vorstellen, dass besonders vulnerable Gruppen wie ältere Personen von der Anwendung profitieren können, da für sie der Aufenthalt im Freien während der Sommermonate zu einer echten Belastungsprobe werden kann. Die Daten können aber auch Organisationen, die Menschen ohne Obdach betreuen, in der täglichen Arbeit unterstützen – beispielsweise indem sie gezielt besonders heiße Orte aufsuchen, um die Menschen dort zu schützen.

Die Karte kann aber auch dazu dienen, sich im Bildungs-, Forschungs- oder Stadtentwicklungskontext mit dem Thema Klimaanpassung und klimagerechte Stadtplanung zu beschäftigen und zu sensibilisieren. Aus dem Austausch mit der Berliner Verwaltung wissen wir auch, dass es einige spannende Use Cases für die Anwendung in der Stadtplanung gibt. Der Bezirk Mitte überlegt zum Beispiel wie die Karte im Rahmen der Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzeptes helfen kann, um u.a. die Uferbereiche zu identifizieren, die durch Gebäude oder Bäume verschattet sind. Darüber hinaus ist das Projekt auch für einen wissenschaftlichen Diskurs interessant.

Wie geht es mit der Erfrischungskarte jetzt weiter?

Klemens Maget: Erstmal sind keine neuen Features geplant. Wir freuen uns aber natürlich über Anregungen und Hinweise zu weiteren offenen Daten mit Mehrwert für die Erfrischungskarte. Es würde uns außerdem freuen, wenn die Erfrischungskarte stärker im Diskurs zu den Auswirkungen des Klimawandels aufgegriffen wird. Viele wissen beispielsweise nicht, dass Stadtbäume einen deutlichen Einfluss auf die Temperaturen in der Stadt haben – nicht nur als Schattenspender. Aber genau das macht unsere Karte nachvollziehbar. Wir wollen mit der Erfrischungskarte aber auch Aufmerksamkeit schaffen für Personengruppen, die besonders von den Auswirkungen der immer heißer werdenden Tage und Nächte betroffen sind.

Klemens Maget

Klemens Maget

Klemens Maget ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Open Data bei der Technologiestiftung Berlin. 

 

Berliner Erfrischungskarte

Schattenwurf auf einer Hauswand

Die Erfrischungskarte ist ein Beispiel dafür, dass Open Data nicht nur Transparenz und Offenheit schafft, sondern auch Analysen und Anwendungen ermöglicht, um den Alltag ein kleines bisschen angenehmer zu machen und uns die Stadt auf neue Art und Weise erkunden lässt.


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