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Kommentar: Wenn aus Spaß Ernst wird

  • Rubrik Kommentar
  • Veröffentlichungsdatum 07.02.2019
Frauke Nippel

Fast fühlt sich die Diskussion um Memes wie die letzte Bastion der unschuldigen Illegalität an. Gehörte es mangels Alternativen „vor nicht allzu langer Zeit“ zum guten Ton mit dem VHS-Rekorder die nächste Free-TV-Premiere am Sonntag aufzuzeichnen oder sich haufenweise Mp3s runterzuladen, die dann z.B. mit “title_03.mp3“ benannt in ungeordneten Bibliotheken verloren gehen, ist der Austausch von Bildchen und Filmchen immer noch alltäglich.

Ein Meme hat den Witz in das digitale Zeitalter übertragen. Kürzer und visueller. Und Menschen lieben Witze und noch viel mehr lieben sie es, diese zu teilen. Laut Siggi Freud ist eine der Funktion des Witzes „Befriedigung des Triebs, über verbotene Themen zu sprechen, die aber im Witz angesprochen werden können“. Memes sind also ein Ventil der eigenen Gedanken und damit ein hohes Gut der Meinungsfreiheit. Emotionaler Sprengstoff.

Da kommt die böse EU und verbietet Memes!

Die EU als absolute Spaßbremse? Ganz so einfach ist das nicht. Es geht um den Artikel 13 eines neuen Gesetzgebungsverfahrens zum Urheberrecht. Und ja, wenn man die Formulierung anschaut, kommt man zu dem Schluss, dass es demnächst Upload-Filter geben könnte. Allerdings ist da auch von „shall be appropriate and proportionate“ die Rede. Die Auswirkungen waren demnach bis zuletzt ohne konkrete Bestimmungen nicht absehbar, was die Fantasie beflügelte.

Im Prinzip fußt die Regelung auf moralische Wertvorstellungen, die wir alle teilen. Man kann sich der Verantwortung nicht entziehen, was im eigenen Haus passiert. Unbestritten ist derweil, dass etwas passieren muss. Die jetzige EU-weite Regelung stammt aus der Steinzeit des Internets: 2001. Das geht in der Diskussion um einzelne Artikel zu oft unter. 

Kampf der Giganten

Artikel 13 adressiert explizit Plattformen, die „large amounts of works or other subject-matter” zur Verfügung stellen. Google und Facebook kriegen also nach der Datenschutz-Grundverordnung den nächsten Gegenwind. Doch diesmal schaut es anders aus. Hat die Öffentlichkeit die DSGVO weitestgehend verschlafen, um erst kurz vor Schluss ihren Verpflichtungen nachzugehen, wie ein Student, der bis zum letzten Tag vor der Prüfung durchfeiert und die Nacht durchpauken muss. Weil sie diese Verpflichtungen leider nur als notwendiges Ärgernis begriffen hat.

Aber bei Artikel 13 macht die Öffentlichkeit ihre Hausaufgaben, ohne die Aufgabenstellung zu kennen. Die Plattformen haben einen mächtigen Freund: die, die Inhalte zur Verfügung stellen. Youtuber und Streamer, Vorbilder einer ganzen Generation, fürchten um ihren Broterwerb und trommeln mächtig; im Sinne der Internetgiganten. Hat das Konstrukt EU bei Jugendlichen und jungen Erwachsen eine hohe Zustimmung, könnte dies ein Wendepunkt sein, denn vielfach wird das Thema übertrieben emotionalisiert und politisiert.

Die Auswirkungen sind zu spüren. Die Verhandlungen der Urheberrechtsreform gerieten ins Stocken. Eigentlich standen die Zeichen auf totalen Stillstand. Doch in dieser Woche kam es zur Wende. Es gibt einen von Frankreich und Deutschland erarbeiteten Kompromiss, der die Umsetzung konkretisiert und noch diese Woche in die Abstimmung gehen kann. Der Waffenstillstand ist vorüber und der Kampf geht weiter.

Werbung, wie diese, war in letzter Zeit öfter zu sehen. Es geht um Meinung, nicht um Marke. Dabei schrecken die Plattformen nicht zurück, Geld bei der Konkurrenz auszugeben.

Und das Meme?

Rechtlich ist es eindeutig. Die meisten Memes wären in Deutschland verboten; in den USA aufgrund der „Fair Use“-Regelung nicht. Aber ein Vorgehen der Rechteinhaber*innen ist äußerst selten, da in der Regel kaum Schaden für den Rechteinhaber oder die Rechteinhaberin entsteht, meist sogar im Gegenteil.

So ganz unschuldig ist das Meme sowieso nicht, denn auch Werbetreibende haben längst erkannt, dass ein Bildchen mehr als tausend Worte sagen kann. Hide-the-pain-Harold macht Werbedeals, bis er umfällt. Pokemon-Memes gehen viral, bevor der passende Kinofilm angekündigt wird. Ein Schelm…

Memes lassen sich beliebig gestalten. Hier ein selbsteditiertes Beispiel mit regionalem Bezug.

Stiftung goes endlich viral: mit Memes!

Ist das Meme jetzt ein Mittel für uns?

Nein. Für die Kommunikation einer wissenschaftsnahen Institution ist gezwungene Verjüngung absolut schädlich. Memes funktionieren nur mit krudem Vorwissen. Wer Witze macht, ist in den Augen der meisten nicht seriös und glaubhaft. Erkenntnis und Spaß schließen sich leider in unserer Gesellschaft noch aus, doch mit jedem Science Slam und jeder Folge „Big Bang Theory“ löst sich das Stigma ein wenig.

Andererseits: Wie soll man Fakten erkennen, wenn alles andere drum herum nicht ganz ernst gemeint ist? Eine Zerreisprobe für die Wissenschaftskommunikation. Der gute, alte, weiße Kittel hat doch immer erkenntlich gemacht: „Diese Person ist erhaben und spricht die Wahrheit!“. Jetzt muss man halt im Kampf der Informationen genauer hinschauen.

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