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5 Gieß-Mythen: Was ist dran?

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 05.07.2023
Hannah Kattner

Der Sommer in Berlin ist da und mit ihm die Gieß-Saison. In der heißen Jahreszeit brauchen die Bäume in der Stadt wieder Unterstützung bei der Wasserversorgung. Dabei können auch Künstliche Intelligenz und eine digital-vernetzte Community helfen:

Mehrere Personen, die Gießkannen an einer Wasserpumpe auffüllen
© Florian Reimann

Das Projekt „Quantified Trees” (kurz: QTrees) entwickelt u.a. ein durch KI gestütztes Vorhersagesystem, um die akut von Trockenheit gefährdeten Stadtbäume zu identifizieren und ihre Wasserversorgung zu optimieren. Unser Projekt Gieß den Kiez setzt auf das Engagement der Stadtcommunity und hat 2020 eine interaktive Plattform geschaffen, um Bürger:innen bei der Bewässerung der Bäume zu aktivieren und zu koordinieren. Trotz des unbestrittenen Mehrwerts beider Projekte – über Gieß den Kiez wurden bislang knapp 1,8 Mio. Liter Wasser gegossen (Stand: Juni 2023) – kursieren immer wieder Mythen und falsche Informationen rund um die Bewässerung von Bäumen. Wir haben mit unseren Expert:innen die Faktenlage gesichtet und räumen in diesem Beitrag mit fünf Mythen rund ums Gießen auf. 

"Bei der aktuellen Trinkwasserknappheit bloß nicht gießen!"

Diese Frage ist insbesondere im Sommer gar nicht so einfach zu beantworten. Wir raten grundsätzlich davon ab, Trinkwasser für das Gießen zu verwenden. Eine Alternative ist das Wasser, das aus den öffentlichen Schwengelpumpen kommt. Zwei Drittel dieser Straßenbrunnen liefern sogar Wasser mit Trinkwasserqualität. Am besten sollte man sich beim Gießen vor allem auf Jungbäume konzentrieren, damit das Wasser dort ankommt, wo es am dringendsten benötigt wird. Übrigens: Damit Bürger:innen schnell die nächste funktionstüchtige Pumpe in ihrer Nähe finden, sind die Pumpen auf  gießdenkiez.de vermerkt. Die Standorte der Pumpen in der Karte laden wir wöchentlich aus der Datenbank von Open Street Map.

"So viel kann man gar nicht gießen wie ein Baum Wasser braucht"

Falsch. Denn: Altbäume (ab 40 Jahre) sind meist komplette Selbstversorger, diese Bäume müssen in der Regel nicht gegossen werden. Bei mittelalten Bäumen (15-40 Jahre) kommt es oft auf den Zustand bzw. die Vitalität an. Es stimmt aber auch, dass richtig zu gießen eine durchaus komplexe Angelegenheit ist. Zum Glück gibt es einige Grundregeln, die, sofern man sie beachtet, jeder:jedem das optimale Bewässern leicht macht. Alle Hinweise zum Nachlesen gibt es hier: https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/stadtgruen/stadtbaeume/waessern-von-stadtbaeumen/    

Angelehnt an das Berliner Handbuch Gute Pflege empfehlen unsere Expert:innen zudem: Junge Bäume lieber alle zwei Wochen mit ca. 100 Liter Wasser gießen, anstatt häufig und mit nur kleinen Mengen zu wässern. So ist garantiert, dass das Wasser auch bis in die tiefen Bodenschichten zu den Baumwurzeln durchsickert und nicht nur anliegende Pflanzen versorgt werden. Wichtig ist außerdem, den ausgetrockneten Boden vor dem Gießen mit einem kleinen Schluck Wasser anzufeuchten, sodass das Wasser in den Boden eindringen kann und nicht oberirdisch abläuft oder sich falsch anstaut.

Schon gewusst? Je nach Alter, Standort und Baumart benötigen Bäume sowieso unterschiedlich viel Wasser. Mittelalte Bäume (15-40 Jahre) benötigen mehr Wasser als Jungbäume (0-15 Jahre). Altbäume (ab 40 Jahre) sind meist komplette Selbstversorger. Da frisch gepflanzte Bäume in den ersten 3 bis 5 Jahren (Schwankung je nach Bezirk) nach der Pflanzung in der der Regel von den bezirklichen Grünflächenämtern mit Wasser versorgt werden, benötigen besonders die Bäume zwischen vier und 15 Jahren unsere Aufmerksamkeit, beziehungsweise unser Wasser. Dies hat Gieß den Kiez in seiner Anwendung mit den Kennzeichnungen des geringen, mittleren oder hohen Wasserbedarfs hervorgehoben.  

"Wir alle sollen Bäume gießen? Da fühlt sich doch eh niemand verantwortlich"

Falsch. Aber vorweg: Auch wenn wir und das Projekt immer wieder auf neue, aktive Nutzer:innen angewiesen sind: Die Planung, Pflanzung, Bewässerung, Pflege einschließlich Kontrolle des Berliner Baumbestandes liegt in der Verantwortung der bezirklichen Grünflächenämter. Sie bekommt dafür von der Finanzverwaltung entsprechende Finanzmittel. Bitte stimmt Euch beim Gießen daher mit den Grünflächenämtern ab! 

Trotzdem lassen wir mal die Zahlen sprechen: Über 3.000 Gießer:innen, knapp 1,8 Millionen gegossene Liter Wasser, 9.840 bewässerte Bäume und 47.575 Gießungen – das ist die engagierte Gieß den Kiez-Community Stand Juni 2023. Es gibt also jetzt schon viele Menschen, die sich für den Erhalt der Stadtbäume in Berlin einsetzen.   

Und das Projekt ist so ein großer Erfolg, dass die Städte Leipzig und Magdeburg die Plattform adaptiert haben. Das zeigt nicht nur, wie groß der Bedarf ist, sondern auch, dass Open Source Anwendungen und Open Data auch für andere Städte hilfreich sind und es überall engagierte Bürger:innen gibt, die sich für das Klima in der Stadt stark machen.   

Dass sich niemand für den Erhalt der Straßenbäume verantwortlich fühlt, trifft also definitiv nicht zu! 

"Um die Berliner Bäume kümmert sich doch die Stadt. Da muss ich doch gar nichts mehr machen."

Falsch. Wir können alle zum Erhalt der Bäume unserer Stadt beitragen.  

Wir haben mal direkt bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt nachgefragt und folgende Rückmeldung erhalten: Die Straßen- und Grünflächenämter sind zwar aktiv und gießen mehrere tausend Bäume jedes Jahr, müssen aber angesichts der extremen Klimawandeleffekte die Gießungen stark priorisieren. Durch knappe finanzielle und personelle Ressourcen kann daher besonders in heißen Sommern nicht jeder Baum ausreichend bewässert werden. Da die Grünflächenämter bezirklich organisiert sind, arbeitet jeder Bezirk etwas anders, weshalb eine ganzheitliche und bedarfsgerechte Koordination des Gießens mit Hürden verbunden ist. Durch unsere Plattform haben Bürger:innen die Möglichkeit, Bäumen bei langer Trockenheit und Hitze gezielt auf Grundlage ihrer aktuellen Wasserversorgung zu helfen und sich zu informieren. Ziel ist es, bei extremen Witterungsverhältnissen möglichst viele Bäume durch nachbarschaftliches Engagement zu retten.  

Eine erforderliche zusätzliche Bewässerung sollte stets dem Motto folgen „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, da in der Regel mit wertvollem Trinkwasser gewässert wird. Wässerungen sind bei langer Hitze demnach auf das Nötigste zu beschränken und auf die örtliche Situation und den Feuchtegehalt des Bodens abzustimmen. Engagierte sollten sich vorab informieren und mit den zuständigen Straßen- und Grünflächenämtern der Bezirke abstimmen. 

"KI bringt beim Klimaschutz nichts"

Falsch. Aber: Künstliche Intelligenz alleine ist kein Allheilmittel und schützt als Methode allein nicht die Bäume vor Trockenheit. Die KI muss letztlich auch in der Praxis angewandt werden und stellt damit eher eine Ergänzung zu den vielfältigen anderen Pflegemaßnahmen der Grünflächenämter für den Erhalt von Stadtbäumen dar. Dennoch bietet sie spannende Einblicke und kann auch überraschende Erkenntnisse liefern.  

Deshalb entwickeln wir bei QTrees zusammen mit den KI-Expert:innen von "Birds on Mars" ein KI-Modell, das unter Einbeziehung vielfältiger Datenbestände den Zustand und den Standort eines jeden Baumes quasi datafizieren und digital beschreiben. Mithilfe des KI-Modell kann schließlich die tagesaktuelle Saugspannung aber auch die voraussichtliche Saugspannung der nächsten 14 Tage eines jeden Baumes vorausgesagt werden. Die Saugspannung gibt dabei an, wie stark die Wurzeln eines Baumes "saugen" müssen, um sich mit Wasser zu versorgen und ist ein guter Indikator für das pflanzenverfügbare Wasser im Boden. Mit Hilfe der Saugspannung können akut unter Trockenheit leidende Baumstandorte frühzeitig identifiziert und somit – im Idealfall – rechtzeitig bewässert werden. Auf Basis dieses Modells sollen schließlich zwei Web-Applikationen entwickelt werden. Diese Anwendungen werden sowohl der öffentlichen Verwaltung als auch der Zivilgesellschaft Berlins die Möglichkeit bieten, die Bewässerung der Stadtbäume zu optimieren und zukünftig agil auf dynamische Wetterbedingungen zu reagieren. QTrees, aber auch viele andere KI-basierte Klimaschutzprojekte zeigen: Gerade da, wo uns Daten oder Ressourcen zur Erhebung von Daten fehlen, kann Künstliche Intelligenz einen echten Mehrwert beim Klimaschutz entfalten. 

Fazit

Wir konnten mit 5 Mythen rund ums Gießen aufräumen und zeigen, wie wichtig und sinnvoll es ist, neue Technologien wie KI und engagierte Bürger:innen mit in das Bewässern von Städtbäumen einzubeziehen und die bezirklichen Grünflächenämter zu unterstützen, bei denen die Verantwortung für die Berliner Bäume liegt. Durch smarte Lösungen, digitale Vernetzung und Bürger:innen-Empowerment können wir gemeinsam den Auswirkungen des Klimawandels entgegengewirken. Damit Berlin weiterhin ein lebenswerter Ort bleibt. Deshalb: Bei Hitzewellen und langanhaltener Trockenheit, Teil der Gieß den Kiez-Community werden und Stadtbäume retten!  

QTrees

Eine Allee mit herbstlichen Bäumen, durch die eine Straße führt.
© Christian Lue, unsplash

Quantified Trees: Intelligente Bewässerungsvorhersage für Stadtbäume. Gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Gieß den Kiez

Eine Gießkanne, die das Logo und den Schriftzug "Gieß den Kiez" aufgedruckt hat.

Gieß den Kiez ist eine Plattform zur Koordinierung der Bewässerung der Berliner Bäume. Die Karte bildet fast alle Straßen- und Anlagenbäume Berlins mit Informationen wie Wasserbedarf, Alter und Art dar und lädt alle Bürger:innen ein, sich an der Bewässerung unseres gefährdeten Baumbestands zu beteiligen.


Zielgruppe

Stadtgesellschaft