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Was ist das Bürgeramt der Zukunft? Interview mit Oliver Kühle

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 10.09.2024
Anna Hantelmann

Den Gang zum Bürgeramt inklusive Terminsuche sparen – und stattdessen alles online erledigen? Für viele in Berlin ist das die Zukunftsvision. Aber wie sieht das Bürgeramt der Zukunft genau aus? Mit Oliver Kühle vom Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg sprechen wir darüber, wie digitale Angebote die Berliner Bürgerämter einerseits entlasten und anderseits ein neues Vor-Ort-Erlebnis prägen – hin zu mehr Beratung für die Menschen, die sie am meisten brauchen.

Durch eine geöffnete Tür sieht man einen jungen Mitarbeiter des Bürgeramts an einem Tisch vor einem Computer sitzen. Ihm gegenüber sitzt eine Frau, deren Rücken zu sehen ist.
Blick in ein Büro des Ausbildungsbürgeramts Friedrichshain-Kreuzberg

Berliner Bürgerämter sollen besser werden. Was meint "Bürgeramt der Zukunft" und warum ist dieses Projekt genau im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg gestartet?

Wie es dazu kam, das war quasi ein Zufall. Den Startschuss hat unser Ausbildungsbürgeramt selbst gegeben, ein damals in Deutschland einmaliges Projekt. Wir haben bei unseren Auszubildenden eine so große Motivation festgestellt, dass wir uns dachten: Das kann noch nicht alles sein.

Über einen Verwaltungspreis sind wir dann zum CityLAB gekommen und haben uns gemeinsam gefragt: Wie kommt eigentlich unser Bürgeramt bei den Bürger:innen an? Was kann man verbessern? Was läuft gut und ist vielleicht schon da, aber wird noch nicht genutzt – wo ist die Kommunikation nicht ausreichend? Mit dem CityLAB zusammen haben wir Schwerpunkte gesetzt und mit Prototypen direkt getestet: Kann das etwas für die Zukunft unseres Ausbildungsbürgeramt sein? Ein Beispiel ist der sogenannte Check-In: Das läuft ganz simpel wie in der Arztpraxis oder am Flughafen. Ich checke mich ein und die Mitarbeitenden wissen, dass ich da bin und für was ich da bin. Für uns war dann klar, dass wir mit dem CityLAB weiter und noch mehr machen wollten.

Und dann gab es noch einen großen Zufall: Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) war zu Besuch beim CityLAB und ist auf unser kleines Ausbildungsbürgeramt aufmerksam geworden. Daraus ist dann ein Projekt entstanden, das einen Namen brauchte: Bürgeramt der Zukunft. Einerseits steckt hinter diesem Namen unser Projekt mit dem Bundesministerium und der Senatskanzlei, bei dem wir uns auf die Digitalisierungsstrecke bei Pässen und Ausweisen konzentrieren. Andererseits verstehen wir darunter aber auch, dass alle Ideen, die wir währenddessen und mit dem CityLAB feststellen, in das Bürgeramt der Zukunft einfließen und es ergänzen.

Inwiefern?

Das Bürgeramt der Zukunft bedeutet für mich persönlich das Gesamtpaket: Wir gucken uns Prozesse und die Bedürfnisse an, um dort eine Lösung zu finden, wo es noch nicht ideal läuft. Im zweiten Schritt müssen wir gucken: Wie machen wir darauf aufmerksam? Etwa indem wir im Bürgeramt der Zukunft Self-Service-Terminals aufstellen, an denen Menschen Online-Dienste vor Ort ausprobieren können. So lassen wir sie nicht allein.

Für uns ist der Mensch wichtig – nicht alles muss sofort digitalisiert werden. Wir wollen beratend zur Seite stehen.

Oliver Kühle :
Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Dokumente-Checkliste für An- und Ummeldung, die wir mit dem CityLAB entwickelt haben: Hier kann ich mich durchklicken, um herauszufinden, was ich mitbringen muss. Ich brauche unterschiedliche Dokumente, je nachdem, ob ich ledig oder verheiratet bin, deutsche Staatsangehörigkeit habe oder nicht. Hilfestellung wie die digitale Checkliste auf andere Dienste auszuweiten ist unser Ziel.

Das Thema Bürgeramt steht auch bei Berlins Chief Digital Officer Martina Klement ganz oben auf der Agenda. Was ist deine persönliche Motivation und was treibt euer Team bei diesem Thema an?

Für mich ist das Bürgeramt kein Massenbetrieb für Menschen, die sich sowieso selbst helfen können, zum Beispiel bei der Anmeldung, das sind schätzungsweise 70 bis 80 Prozent. Wir müssen vor Ort da sein für Menschen, die sich nicht selbst helfen können und die soziale Leistungen dringend benötigen. Da muss das Bürgeramt wieder hin kommen, denn für die Beratung sind wir eigentlich da. Wir sind da für Menschen, die sich nicht selbst helfen können.

Mich treibt an, immer weiterzumachen. Wir sind an einem guten Punkt, wo wir wissen, was wir machen wollen. Viele Jahre ging es darum, den E-Personalausweis erstmal unter die Leute zu bringen. Jetzt haben wir die BundID und damit die viele Möglichkeiten.

  • Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Berlins Chief Digital Officer Martina Klement im Gespräch mit Mitarbeitenden des mobilen Bürgeramts.
    Das Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg war im Rahmen der CityLAB Sommerkonferenz mit einem mobilen Stand bei unserem Kiezlabor vertreten. Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner, und Berlins Chief Digital Officer, Martina Klement, waren zu Besuch und sprachen mit den Mitarbeitenden über das Bürgeramt der Zukunft.
  • Drei Frauen stehen im Bürgeramt und lächeln sich an. Eine Frau hält ein Klemmbrett mit Befragungsbogen in ihrer Hand.
    Unser Team freut sich über den persönlichen Austausch und das direkte Feedback der Bürger:innen vor Ort.
  • Eine Person hält ein Klemmbrett in der Hand auf dem ein Befragungsbogen für den Prototypentest angeheftet ist.
    Wir können auch analog: Befragungsbogen des Prototypentests vor Ort.
  • Zwei Plastikeimer stehen auf dem Boden vor einer Wand. Über jedem Eimer hängt ein Zettel. Auf dem rechten Zettel ist ein Bild eines nach unten gerichteten Daumens zu sehen. Auf dem linken Zettel ist ein nach oben gerichteter Daumen zu sehen. Darüber hängt ein weiterer Zettel hängt darüber mit der Frage: War der Anmelde-Check hilfreich? Die Auflösung: Im linken Eimer liegen sechs Bälle, im rechten Eimer liegen keine Bälle.
    Auswertung: War der Anmelde-Check hilfreich?
  • Vor dem Eingang des CityLAB Berlin stehen Personen und schauen freundlich zur Kamera.
    Team des CityLAB mit Auszubildenden und Mitarbeitenden des Ausbildungsbürgeramts Friedrichshain-Kreuzberg vor dem CityLAB Berlin.

Das Bürgeramt wird oft genannt, wenn es darum geht, wie die Berliner Verwaltung moderner und effizienter werden kann. Wie schafft ihr es, Erwartungen zu managen, wie schnell was geht?

Ich finde, man muss da ehrlich sein: Wir sind an einem guten Punkt, aber es kann auch immer wieder etwas schief gehen. Wichtig ist es, ehrlich aber positiv zu erklären: Die Menschen, die in einer Behörde arbeiten, sind motiviert.

Wir sind in einem andauernden Erklärprozess, aber: Über Zukunft zu sprechen ist auch Zukunft. Es ist ganz wichtig, mit Menschen zu reden.

Am Ende wollen wir das Bürgeramt so gestalten, dass es ein Modellversuch für alle ist. Wir müssen miteinander sprechen, einfach machen und wirklich testen. Genau deswegen funktioniert die Zusammenarbeit mit dem CityLAB auch so gut: Wir kommen zusammen ins Machen.

Oliver Kühle :
Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg

Apropos Zukunft: Was sind konkret die nächsten Schritte für das Bürgeramt der Zukunft?

Aktuell sind wir dabei, alle an Bord zu holen, die wir für die Umsetzung vom Bürgeramt der Zukunft brauchen, zum Beispiel für ein neues Wegeleitsystem. Nach allen Tests geht es jetzt darum, auszugestalten, wie das Bürgeramt der Zukunft aussehen soll: die Räumlichkeiten, aber auch digitale Geräte wie der Self-Service-Terminal, das Check-In-System oder die Dokumentenausgabebox. Auch hier müssen wir testen, was wie ankommt: Wie möchten Menschen, ihre Dokumente abholen – persönlich bei Mitarbeitenden oder mithilfe einer Ausgabebox? Wir möchten im Laufe des nächsten Jahres einen Status Quo für das Bürgeramt der Zukunft erreichen, der sich auch auf viele weitere Bürgerämter übertragen lässt.

Bürgeramt der Zukunft

Zwei aufgeschlagene Kalender liegen schräg versetzt übereinander. An einigen Tagen stehen handschriftliche Notizen.

Mit dem Prototyp vom „Bürgeramt der Zukunft“ wollen wir die Berliner Bürgerämter unterstützen, Verwaltungsabläufe zu optimieren, um dadurch die Wartezeit auf Termine für Bürger:innen deutlich zu verkürzen.


Zielgruppe

Verwaltungsmitarbeitende & Zivilgesellschaft