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Neue Podcast-Folge Radio CityLAB: Paulina Fröhlich über resiliente Demokratie

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 03.04.2025
Marie Liebscher

Demokratie bedeutet auch, mitreden zu können – oder? Zumindest in der Idealvorstellung akzeptieren wir politische Entscheidungen eher, wenn wir am Prozess beteiligt waren. Doch was macht gute Beteiligung eigentlich aus? Gibt es auch Fälle, in denen sie mehr schadet als nützt? Und wie kann Partizipation die Demokratie stärken – statt sie auszubremsen? 

Warum es faktenbasierte Entscheidungen von Expert:innen neben Mitbestimmungsformate mit klarer Zielsetzung für eine resiliente Demokratie braucht: Darüber spricht Dr. Benjamin Seibel mit Paulina Fröhlich, der stellvertretenden Geschäftsführerin und Leiterin des Schwerpunkts „Resiliente Demokratie“ des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum, in diesem Auszug der aktuellen Podcastfolge vom Radio CityLAB.

Die ganze Folge gibt es natürlich auch zum Anhören.

Benjamin Seibel: Ich verfolge gerade die Diskussionen unter US-Demokraten, die nach dem letzten Wahlergebnis ihre eigenen Annahmen hinterfragen.

Einer der hinterfragten Glaubenssätze scheint mir zu sein, dass mehr Demokratie immer besser ist. Was als Demokraten erstmal auch nachvollziehbar klingt, aber es gibt zunehmend Stimmen, die darauf hinweisen, dass zu viel Partizipation auch Prozesse lähmen kann.

Benjamin Seibel :
Leitung CityLAB

Ein interessantes Beispiel liefert das Buch Why Nothing Works von Mark Dunkelman. Er beschreibt, wie progressive Vorhaben, etwa im Klimaschutz, durch zu viele Beteiligungsschleifen so sehr verzögert werden, dass sie letztlich scheitern. Seine These: Wir brauchen an manchen Stellen mehr faktenbasierte Entscheidungen von Expert:innen statt immer neue Mitbestimmungsformate zu schaffen. Denn je mehr Beteiligung es gibt, desto mehr Einzelinteressen müssen berücksichtigt werden – was oft dazu führt, dass Entscheidungen entweder endlos verschoben oder am Ende so verwässert werden, dass sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen.

Paulina Fröhlich: Das ist interessant. Also mein kurzer Take dazu wäre, dass es immer auf die Qualität einer Beteiligung ankommt, wie hilfreich sie ist sowohl im Output als auch im Throughput und in der Schnelligkeit. Wenn sie schlecht organisiert ist, sorgt sie für Frust und Verzögerung. Wenn wir zum Beispiel in der sozialökologischen Transformation Bürgerbeteiligung praktizieren, dann nicht um zu diskutieren, ob wir den Weg der sozialökologischen Transformation gehen, sondern, wie genau und worauf zu achten ist.

Wir haben das sehr eng begleitet in einer Studie, die heißt Unsere Energiewende und haben uns drei unterschiedliche Formen von Bürgerbeteiligung materieller und immaterieller Art angeguckt. Da haben wir herausgefunden, was jetzt vielleicht auch simpel klingen mag, das ein wichtiger Schritt ist genau zu wissen:

Was wollen wir eigentlich wissen, was ist eigentlich unser Ziel? Vielleicht ist auch Akzeptanz das Ziel, dass Bürgerinnen und Bürger am Ende des Prozesses sagen: Jawohl, bin ich dabei.

Paulina Fröhlich :
Stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin | Resiliente Demokratie

Ich möchte noch einen letzten, wenig motivierenden Gedanken dazugeben: Es gibt ganz viel schlechte Beteiligung.

Benjamin Seibel: In der Tat. Und beinahe hätte ich jetzt gesagt, wir haben auch schon welche gemacht, also wir haben schon Beteiligung gemacht – aber sie war hoffentlich nicht schlecht.
Wir haben das in der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie für Berlin erlebt. Da gab es tolle Beteiligungsformate, darunter einen Bürgerrat mit wirklich guten Ergebnissen. Aber dann stellt man fest: Diese Vorschläge haben gar keinen Platz im eigentlichen Entscheidungsprozess. Sie werden zur Kenntnis genommen, aber nicht integriert. Das führt natürlich zu Frust.

Gerade im Bereich Digitalisierung erleben wir das oft: Menschen engagieren sich, geben wertvollen Input – und haben das Gefühl, dass nichts daraus folgt. Manche sagen dann: Wollt ihr das wirklich nochmal wissen? Ich habe das schon fünfmal gesagt, aber es passiert nichts. Das ist deprimierend.

Paulina Fröhlich: Absolut. Ich glaube, wir alle, die sich mit Beteiligung beschäftigen, waren schon Teil von schlechten Prozessen. Demokratie lernt auch noch dazu. Oft fehlt eine gute kommunikative Begleitung: Wie wird erklärt, was mit den Ergebnissen passiert? Vielleicht hat eine Empfehlung tatsächlich etwas bewirkt – aber wenn das nicht sichtbar gemacht wird, bleibt nur das Gefühl, dass alles verpufft ist. Auch die Erwartungshaltung ist oft ein Problem: Menschen haben die Hoffnung, dass ihre Vorschläge eins zu eins umgesetzt werden, aber so funktioniert Politik natürlich nicht. Es braucht transparente Rückmeldungen und Mechanismen, die zeigen, welche Impulse weiterverfolgt wurden und warum andere nicht.

Das ist wohl auch ein Bereich, in dem Digitalisierung noch viel besser genutzt werden könnte. Es gibt viele Plattformen für Bürgerbeteiligung, aber oft bleiben sie bloße Diskussionsforen. Die eigentliche Frage ist: Was passiert mit den gesammelten Informationen? Da gibt es noch viel ungenutztes Potenzial, besonders wenn es darum geht, politische Repräsentation besser zu überset

Benjamin Seibel: Absolut, danke dir für deine Einschätzungen und Learnings.

Wie es ab hier weitergeht, lässt sich im Podcast Radio CityLAB nachhören.

CityLAB Berlin

Gut gelaunte Menschen stehen vor dem Eingang des CityLABs

Im CityLAB wird Innovation und Partizipation zusammen­gedacht: Verwaltung und Stadtgesellschaft arbeiten hier gemeinsam an Lösungen für das digitale Berlin von Morgen.


Zielgruppe

Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft