Gesundheitsdaten öffnen und schützen: Ein Gespräch zur Post-COVID-Challenge
Sind Menschen eher bereit, ihre Gesundheitsdaten zu spenden, wenn sie selbst auf eine bessere Datenlage angewiesen sind – zum Beispiel, weil sie von Long Covid betroffen sind? Wir sprechen mit Alexander Bartschke vom Berlin Institute of Health der Charité und unserem Kollegen Max Eckert darüber, wie sie im Rahmen der Post-COVID-Challenge die datenbasierte Gesundheitsforschung und -versorgung voranbringen wollen – und warum das Wetter auch Einfluss auf Krankenhaus-Aufnahmen haben kann.
Geschützte Gesundheitsdaten und offene Daten – das klingt erstmal nach einem Gegensatz. Was ändert sich aktuell im Umgang mit Gesundheitsdaten, gerade nach der Corona-Pandemie, und welche Fragestellungen beschäftigen euch in der Post-COVID-Challenge?
Alexander Bartschke: Es hat sich zuletzt einiges im Umgang mit Gesundheitsdaten geändert und es gibt viele Initativen der Bundesregierung in diese Richtung weiterzumachen. Während der Corona-Pandemie waren Menschen auf einmal bereit, Daten zu spenden, zum Beispiel an das Robert-Koch-Institut mit der Datenspende-App. Dabei kam die Frage auf, warum diese Daten nicht auch für die breite Forschung zugänglich gemacht werden.
Bei der Post-COVID-Challenge geht es darum: Wie gehen wir mit Daten um, die einerseits einen großen Schutzbedarf haben – und andererseits auch einen großen Nutzen für die Gesellschaft?
Spannend für unsere Arbeitsgruppe beim Berlin Institute of Health an der Charité ist es, diese Daten verständlich zu machen.
Inwiefern?
Zum einen geht es darum, dass Gesundheitsdaten inhaltlich verständlich sind und dasselbe Bild ergeben: Welche Daten passen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder zu einem Schlaganfall? Das können Daten wie Herzfrequenz oder Puls sein. Zum anderen geht es auch um die Beschaffenheit der Daten: Liegen sie in einem einheitlichen Format vor, sodass wir sie mit anderen Daten zusammenbringen können? Und hier kommt die Expertise der Open Data Informationsstelle (ODIS) ins Spiel.
Max Eckert: Die Kombination von nicht-medizinischen mit medizinischen Daten ist für unser ODIS-Team sehr spannend. Dazu gibt es auch schon erste Forschungsprojekte innerhalb der Medizininformatik-Initiative.
Die tägliche Aufnahme von Schlaganfällen lässt sich anhand von Wetterdaten besser vorhersagen – oder Asthma besser diagnostizieren, wenn wir uns Luftqualitätsdaten zur Hilfe nehmen.
Für die Post-COVID-Challenge haben wir diesen Faden weitergesponnen und uns gefragt: Welche interessante Korrelationen könnte es bei Long Covid geben? Zum Beispiel könnte das eine möglicherweise höhere Feinstoffbelastung am Wohnort der Patient:innen sein. Was hier wichtig ist: Es gibt zwar offene Daten zu Wetter oder Luftqualität; aber es ist nicht immer klar, wo sie zu finden und wie sie mit medizinischen Daten zusammenzubringen sind. Dafür wollen wir Medizinforschenden Tools und Ressourcen an die Hand geben – unabhängig davon, was sie untersuchen möchten.
Ihr bringt als Data Scientists, bzw. Medizininformatiker:innen unterschiedliche Perspektiven ein – was hat euch in eurer Zusammenarbeit bisher am meisten überrascht?
Max Eckert: Als Data Scientist ist mir vor allem aufgefallen, dass wir sehr viel gemeinsam haben mit der Medizininformatik. Beim Berlin Institute of Health geht es ja darum, Forschungsergebnisse in konkrete Handlungen umzusetzen. Um diesen Wissenstranfer geht es uns auch, wenn wir datenbasierte Lösungen für die Stadt Berlin entwickeln und versuchen, diese Testballons dann zum Fliegen zu bringen.
Es kann zwar einen tollen medizinischen Datensatz geben, aber das heißt nicht, dass er in allen Krankenhäusern angewendet wird – und so geht es uns auch in unserer Arbeit mit nicht-medizinischen Daten.
Dass die Medizininformatik Challenges hat, die sich in unserer Arbeit als Data Scientists stark widerspiegeln – das war für uns erfrischend und hat uns in der Zusammenarbeit motiviert
Alexander Bartschke: Unser Netzwerk um die Technologiestiftung und das CityLAB zu erweitern, das hat uns sehr bereichert. Die Zusammenarbeit ist sehr viel bunter und kreativer als wir es gewohnt sind. Projekte wie Gieß den Kiez zeigen, dass sich offene Daten auch zu den Menschen bringen lassen – ich persönlich habe mich sehr gefreut zu lernen, wie alt der Baum vor meinem Haus ist.
Im Gesundheitswesen ist gerade das Thema offene Daten natürlich schwieriger. Das ändert sich aktuell aber:
Gerade bei Long Covid sind so viele Menschen betroffen, dass sie bereit sind, Daten zu spenden. Allgemein haben sich während Corona viel mehr Menschen mit Gesundheits- und auch Bewegungsdaten beschäftigt.
Was sind aktuell in puncto Datenoffenheit, bzw. Datenschutz denn noch die größten Herausforderungen und wo seht ihr Potenziale für eine bessere Zusammenarbeit?
Max Eckert: Die Blackbox offene Daten ist für uns als Data Scientists umgekehrt die Blackbox Gesundheitsdaten. Wir mussten erstmal dahin kommen, uns vorstellen zu können, wo Daten herkommen, wenn zum Beispiel jemand in der Charité auf der Station liegt. Aber der Trend geht dahin, mehr Fachfremde zu erreichen und zusammen zu arbeiten. Die Hürden, um kreativ zu werden, sind allerdings sehr groß, da auch die Fördergelder sehr projektspezifisch sind.
Alexander Bartschke: Es ist natürlich gut, dass es diesen hohen Datenschutz gerade für Gesundheitsdaten gibt. Die Frage ist: Wie schafft man es, geschützte Datenräume zu schaffen, in denen Daten für die Gesundheitsforschung und -versorgung nutzbar werden?
Ein Beispiel: Wir könnten einen großen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung generieren aus den Daten, die während Krankenhaus-Routinen dokumentiert werden – insbesondere weil wir einen Mangel an Ärzt:innen und Kliniker:innen haben. Daten richtig zu erheben, würde nicht mehr Zeit kosten und viele blinde Flecken aufklären.
Und zuletzt: Was wäre euer Wunsch für die Zukunft, welchen Mehrwert soll eure Arbeit haben und für wen?
Alexander Bartschke: Konkret für Long Covid würde ich mir wünschen, dass die verschiedenen Fachgebiete, die tatsächlich dieselben Daten erheben, besser zusammenarbeiten können. Hier brauchen wir einen größeren Austausch innerhalb der Forschung. Und ich wünsche mir, dass im nächsten Jahr die elektronische Patientenakte funktioniert – mit Daten für die Forschung.
Max Eckert: Ich wünsche mir, dass wir den Menschen, die tagtäglich in der Gesundheit forschen und versorgen, die Arbeit leichter machen. Für Gesetzgebende und Verwaltungen wünsche ich mir, dass wir die Blackbox Daten weiter öffnen können.
Ich glaube, als gesunde beziehungsweise ableistische Gesellschaft ist unser großen blinder Fleck, dass wir weniger Interesse haben, unsere Gesundheitsdaten zu teilen, wenn wir selbst nicht betroffen sind.
Dabei könnte so vielen Menschen geholfen werden, die auf Daten angewiesen sind. Ich wünsche mir mehr Solidarität und das setzt voraus, dass es Vertrauen gibt in die Forschung. Wir müssen nachvollziehbarer kommunizieren, damit Menschen ihre Daten bereitwillig teilen. Datenschutzbedenken sollten immer legitim sein, aber auch realistisch. Es wird immer ein Datenschutz-Risiko geben, aber das existiert heute auch schon.
Post-COVID-Datenmodell für die Dateninstitut-Challenge
Wie können Daten dabei helfen, relevante Informationen für alle transparent und verfügbar zu machen? Das erforschen wir mit unserem Ansatz für ein Post-COVID-Datenmodell zusammen mit dem Berlin Institute of Health at Charité (BIH). Dieser dient als konkreter Use Case für die Dateninstitut-Challenge vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI).