Das war die kulturBdigital-Jahreskonferenz 2024
Die Zukunft beginnt heute – und genau darüber diskutierten über 200 Kulturakteur:innen auf der sechsten kulturBdigital-Konferenz. Unter dem Motto „über übermorgen – jetzt!“ ging es am 10. Oktober im ATZE Musiktheater darum, wie wir heute die Weichen stellen für eine offene und inklusivere Zukunft des Kulturbereichs. Zwischen KI, digitaler Barrierefreiheit und nachhaltigen Strategien standen kreative Lösungen im Mittelpunkt, die unsere digitale (Kultur-)Welt bereichern.
Wie kann Berlins Kulturszene widerstandsfähig in die Zukunft navigieren?
Gemeinsam Zukunft denken
Zum Auftakt regte der Zukunftsforscher Wenzel Mehnert an, die gängigen Tech-Utopien und ihre vorgefertigten Zukunftsbilder kritisch zu hinterfragen – und alternative Vorstellungen in den Fokus zu rücken, die kulturelle Handlungsräume neu öffnen.
Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung, plädierte für eine gemeinschaftlichere Gestaltung digitaler Räume der Zukunft und betonte – gerade angesichts der neuen KI-gestützten Produktionsmöglichkeiten – die Bedeutung von Qualität über Quantität. Sein Appell für mehr Zwischenmenschlichkeit und Souveränität im digitalen Raum setzte einen klaren Impuls für den Tag.
Digitaler Wandel inklusiv gestalten
In den Praxis-Sessions wurden Fragen zu digitaler Barrierefreiheit und Grundvoraussetzungen in der Organisationskultur diskutiert. Andreas Krüger von der Berlinischen Galerie und Marie Lampe von den Sozialheld*innen stellten ihre Vision eines Netzwerks vor, in dem Menschen mit Behinderungen Kulturinstitutionen beraten und aktiv bei der Entwicklung inklusiver digitaler Angebote unterstützen. Wie Barrierefreiheit institutionell von Anfang an mitgedacht werden kann, stellte Jolanta Paliszewska mit ihrem neu entwickelten „Oktokit“ vor – ein Tool das gezielt analysiert, wie die Zugänglichkeit für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen verbessert werden kann. In offenen Gesprächsrunden diskutierten fünf der Berliner „Resilienz-Dispatcher:innen“, wie der digitale Wandel als Teil der Organisationskultur etabliert werden kann, wie Wissensmanagement zu einer gemeinsamen Ressource für Innovation wird und wie digitale Kompetenzen nachhaltig gefördert werden können.
Selbstermächtigung und Mitbestimmung in der digitalen Kunstwelt
Künstler:innen und Kulturakteur:innen tauschten sich über die Rolle von künstlicher Intelligenz in der Kunst aus und diskutierten, wie ihre Arbeiten zu einem kritischen Verständnis von Mensch-Maschine-Interaktionen beitragen.
Wie verändert sich etwa unser Verhältnis zum eigenen Körper, wenn wir mithilfe von KI-Tools unser Erscheinungsbild und unsere Stimme im digitalen Raum nicht nur nachbilden, sondern nach gängigen Schönheitsidealen vermeintlich optimieren können? Medien- und Performance-Künstler:in allapopp fragte: „Can I Trust My AI Body?“. allapopps Ansatz: statt einer zu toxischen und zu menschlichen KI sollten bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz weniger Mainstream-Ideale übernommen und vielmehr die Perspektiven marginalisierter Gruppen stärker einbezogen werden, um einen diverseren und weniger binären Effekt zu erzielen.
Clara Herrmann von der JUNGEN AKADEMIE und die Künstler:in Maithu Bùi skizzierten den Stand zur Gründung eines „KI-Rats der Künste“, der als Plattform für kritische Reflexion zu KI und Kunst dienen könnte. Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, unterstrich im anschließenden Gespräch die Bedeutung der Mitbestimmung und Gestaltungskraft der freien Kulturszene, besonders angesichts begrenzter Ressourcen.
Nachhaltig, widerstandsfähig, gemeinschaftlich – der erste Schritt Richtung Übermorgen
Gegen Ende des Tages rückte das Thema digitale Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Resilienz in den Fokus. In ihrer Präsentation „COPY PASTE WASTE“ setzten sich die freien Kuratorinnen Katharina von Hagenow und Tereza Havlíková mit den ökologischen Folgen digitaler Infrastrukturen auseinander und betonten die wachsende Verantwortung des Kulturbereichs für Nachhaltigkeit in der Digitalisierung.
Wie können Kulturakteur:innen angesichts wachsender politischer Polarisierung unabhängig und sicher arbeiten? Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung thematisierte demokratiefeindliche Tendenzen im Gaming-Bereich und präsentierte Handlungsstrategien zum Umgang mit politischen Angriffen.
Stephanie Hackey berichtete über die Erfolgsgeschichte von Tactical Tech: Ein ursprünglich für das Berliner Publikum konzipiertes Datenaufklärungs-Experiment wuchs mit "The Glass Room" zu einer Intervention in 71 Ländern, die weltweit an öffentlichen Orten Menschen auf die Einflüsse von Technologie aufmerksam macht.
Bibliotheken bringen Menschen jeden Alters und Hintergrunds zusammen – unabhängig von Beruf, Geschlecht oder sozialem Status. Doch könnten sie noch mehr sein und das Fundament für eine vernetzte Stadtgemeinschaft bilden, in der Begegnungen digital und analog, offen und hierarchiefrei stattfinden? Dr. Boryano Rickum, Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg, skizzierte seine Vision von Bibliotheken als „digitale Dritte Orte“.
Im Anschluss diskutieren Stephanie Hankey, Mick Prinz und Dr. Boryano Rickum darüber, wie die Kultur Räume schaffen kann, in denen produktive Debatten mit vielfältigen Positionen möglich sind.
Die Kurz-Vorträge und die anschließende Diskussion sind hier zusammengefasst:
Mit der sechsten kulturBdigital-Konferenz haben wir wieder einmal alle an einen Tisch geholt, die sich für die digitale Zukunft der Kultur interessieren und sie mitgestalten. Wir freuen uns, wenn wir neben Denkanstößen auch konkrete Ansätze liefern konnten, wie sich der Kulturbereich schon heute für eine widerstandsfähige Zukunft befähigen kann.
kulturBdigital
Projekt zur Stärkung digitaler Kompetenzen des Berliner Kulturbereichs. Mit kulturBdigital vermitteln wir Praxiswissen zum Einsatz digitaler Technologien, zeigen Good Practice Beispiele auf und vernetzen Berlins Kulturakteur:innen spartenübergreifend.