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  • Thema Neue Technologien

Berlins Innovationskraft im Fokus: Was die jährliche Innovationserhebung über Berlins Unternehmen verrät

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 26.06.2025
Dr. Charlotte Rochell

Innovationen spielen eine zentrale Rolle für wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt. Unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Charlotte Rochell stellt Grundlagen der Innovationsforschung und die Innovationserhebung Berlin vor, die jährlich ein repräsentatives Bild der Forschungs- und Innovationsaktivitäten der Berliner Wirtschaft zeigt.

Charlotte Rochell arbeitet seit April 2025 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Innovation Policies & Research bei der Technologiestiftung Berlin. Die studierte Volkswirtin sammelte zuvor Erfahrung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin am Fachgebiet Innovationsökonomie.

Über die Innovationserhebung Berlin

Warum braucht unsere Gesellschaft „Innovationen“?

In modernen wissensbasierten Gesellschaften sind Innovationen entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt – und damit für den Erhalt und die Zukunftssicherung des Wohlstands.

In Unternehmen umfassen Innovationsaktivitäten alle gezielten Anstrengungen zur Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren, die auf Märkte gebracht oder intern implementiert werden. Aus betrieblicher Sicht stärken Innovationen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen – etwa durch neue Angebote für bisher unerschlossene Kundengruppen oder verbesserte Prozesse, die Ressourcen oder Kosten sparen. Dadurch können Produktivität und Ertragskraft steigen, was wiederum die Entwicklungsperspektiven von Unternehmen verbessert. Breite und zahlreiche Innovationsaktivitäten von Unternehmen in einer Region können eine treibende Kraft für Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum sein. Zunehmend rückt auch die Rolle von Innovationen für die Bewältigung globaler Herausforderungen und die Transformation hin zu einer nachhaltigeren und digitalen Wirtschaft in den Fokus.

Innovationen sind nicht nur technische Neuerungen - sie sind Treiber und Ergebnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformationsprozesse.

Charlotte Rochell :
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Innovation Policies & Research

Was ist eine „Innovation“? – Der Innovationsbegriff nach dem Oslo Manual

In der Innovationsforschung1 basiert die gängige Definition auf dem Oslo Manual, einem internationalen Standardwerk zur Messung von Innovationen. Die aktuelle Ausgabe von 2018 von OECD und Eurostat definiert Innovationen in Unternehmen wie folgt:

Eine Unternehmensinnovation ist ein neues oder verbessertes Produkt oder ein Geschäftsprozess (oder eine Kombination davon), das bzw. der sich erheblich von den bisherigen Produkten oder Prozessen des Unternehmens unterscheidet und das bzw. der vom Unternehmen auf den Markt gebracht oder in Betrieb genommen wurde.2

Damit ist eine Innovation etwas Neues oder Verbessertes, das deutlich vom bisherigen Angebot oder den bisherigen Abläufen des Unternehmens abweicht. Hierbei zählt die Sichtweise des Unternehmens: Eine Innovation muss nicht zwingend eine Welt- oder Marktneuheit sein, sondern lediglich neu für das jeweilige Unternehmen. Relevant ist allerdings, dass die Innovation auf einem Markt oder als neues Verfahren eingeführt wurde. Das unterscheidet Innovationen von Erfindungen: Eine Erfindung ist eine Idee, ein Konzept oder ein technisches Prinzip. Sie wird erst dann zur Innovation, sobald sie implementiert oder kommerziell genutzt wird.

Eine Innovation muss keine Weltneuheit sein, entscheidend ist, dass sie eine Neuheit für das Unternehmen ist.

Charlotte Rochell :
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Innovation Policies & Research

Das Oslo Manual unterscheidet Innovationen in neue oder deutlich verbesserte Produkte oder Prozesse:

  • Produktinnovationen sind neue oder merklich verbesserte Produkte oder Dienstleistungen. Dazu zählen beispielsweise Veränderungen an technischen Eigenschaften, Zusatzfunktionen oder Funktionalitäten. 
  • Prozessinnovationen sind neue oder deutlich verbesserte interne Unternehmensabläufe, die etwa Kosten senken, Ressourcen schonen oder die Qualität erhöhen. Diese betreffen nicht nur industrielle Fertigungsprozesse, sondern auch Dienstleistungsprozesse, Logistik, IT-Systeme, Managementmethoden oder Organisationsstrukturen.

Zur Veranschaulichung hier ein paar Beispiele:

  • Ein Unternehmen bietet eine bestehende Softwarelösung erstmals als Cloud-Service mit neuen Schnittstellen an – auch wenn der Kern der Software gleich bleibt, handelt es sich um ein deutlich verbessertes Produkt und damit eine Produktinnovation.
  • Ein Unternehmen, das erstmals eine automatisierte Lagerlogistik einführt, realisiert eine Prozessinnovation – unabhängig davon, ob es diese Technologie selbst entwickelt oder von einem Anbieter übernimmt.
  • Ein Unternehmen bringt ein existierendes Produkt in einer neuen Farbe auf den Markt. Da sich keine funktionalen oder nutzungsrelevanten Merkmale geändert haben, liegt hier keine Innovation vor.

Nur was wir systematisch erfassen, können wir verstehen - und so gezielt unterstützen.

Charlotte Rochell :
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Innovation Policies & Research

Wie lassen sich Innovationen messen? – Innovationserhebungen als wichtiges Tool

Um Innovationen in beispielsweise Unternehmen, Branchen oder Regionen vergleichbar zu erfassen, existiert eine Bandbreite an Indikatoren3. In der Innovationsforschung werden diese oft in Input-, Prozess- und Output-Indikatoren unterschieden. Es wird also z.B.  gemessen, welche Ressourcen in Form von Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE) in einen Innovationsprozess fließen. Um die Erträge oder Erfolge des Innovationsprozesses zu erfassen, werden häufig geistige Eigentumsrechte wie Patent- oder Markenanmeldungen (Trademarks) oder wissenschaftliche Publikationen verwendet. Darüber hinaus gibt es zusammengesetzte bzw. aggregierte Indikatoren. Die unterschiedlichen Indikatoren haben Vor- und Nachteile und erfassen verschiedene Aspekte von Innovationsaktivitäten. Z.B. lassen sich nicht alle Innovationen durch Patente schützen oder nicht jeder in FuE investierte Euro führt zu einem neuen oder verbesserten Produkt oder Prozess.

Innovationen können weiterhin durch Innovationserhebungen gemessen werden. Diese Umfragen von beispielsweise Unternehmen können Fragen zu verschiedenen Aspekten von Innovationsaktivitäten wie Innovationsprozessen, -ausgaben, oder -erfolgen enthalten. Fasst man die Umfrageergebnisse nach Unternehmensgruppen, Branchen oder Regionen zusammen, lassen sich Innovationsleistungen detailliert beobachten und gegenüberstellen.

Innovationserhebungen – für wen und wozu?

Innovationserhebungen liefern fundierte Daten zu Innovationsaktivitäten von Unternehmen und richten sich damit an Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Sie ermöglichen den Vergleich von Ländern, Regionen oder Sektoren und die Identifikation von Trends, Erfolgsfaktoren, Hindernissen und Handlungsbedarfen uvm. Damit bilden sie eine zentrale Entscheidungs- und Bewertungsgrundlage für wirtschaftspolitisches Handeln. Sie erlauben ein evidenzbasiertes Monitoring und Evaluieren des aktuellen Innovationsgeschehens sowie die Bewertung, Weiterentwicklung und Einführung von Politikmaßnahmen. Durch die Verknüpfung mit anderen Statistiken – etwa Patent- oder Beschäftigungsdaten – lassen sich weiterführende (wissenschaftliche) Erkenntnisse über Innovationsdynamiken gewinnen.

Wie innovativ ist die Berliner Wirtschaft? Die Innovationserhebung Berlin liefert Antworten.

Um die Innovationsaktivitäten der Berliner Wirtschaft einschätzen zu können, bedarf es belastbarer Daten. Hier setzt die Innovationserhebung Berlin an. Ziel der jährlichen Unternehmensbefragung ist es, die Innovationsaktivitäten von Unternehmen mit Sitz in Berlin zu erfassen und auszuwerten. Sie liefert Informationen zur Einführung neuer Produkte, Dienstleistungen und Verfahren, Aufwendungen für Innovationen, sowie Innovationserfolgen von Berliner Unternehmen. So bildet die Erhebung eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der technologischen Leistungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft und ermöglicht Einblicke in Entwicklungstrends.

Die Innovationserhebung Berlin wird seit 2012 jährlich durchgeführt – seit 2013 im Auftrag der Technologiestiftung Berlin, in der ersten Erhebungswelle im Auftrag des Fachgebiets Innovationsökonomie der TU Berlin. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) übernimmt dabei die wissenschaftliche Durchführung. Konzipiert ist die Erhebung als Ergänzung zur Befragung zum Innovationsverhalten der gesamtdeutschen Wirtschaft, die das ZEW im Auftrag des Bundesforschungsministeriums (BMFTR) durchführt. Die Innovationserhebung des ZEW ist dabei der deutsche Beitrag zur Community Innovation Survey (CIS) der Europäischen Kommission. Sie geht über die Anforderungen der CIS hinaus: Während die CIS alle zwei Jahre stattfindet, ermöglicht die Deutsche Innovationserhebung durch die jährliche Durchführung, einen erweiterten Fragenkatalog und eine breitere Unternehmensabdeckung tiefere Analysemöglichkeiten der Innovationsaktivitäten von Unternehmen. Die CIS und damit die Deutsche und Berliner Innovationserhebung folgen dem oben beschriebenen Innovationsbegriff des Oslo Manuals und den darin festgehalten Empfehlungen zur Messung von Innovationen.

Die Innovationserhebung Berlin stimmt mit der Erhebungsmethodik der Deutschen Innovationserhebung überein – inklusive identischem Fragebogen, standardisierter Datenaufbereitung und einheitlicher Auswertung. Damit sind die Ergebnisse direkt vergleichbar – nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene. Für die Innovationserhebung Berlin werden Unternehmen mit Sitz in Berlin mit mindestens fünf Beschäftigten aus den Branchen Industrie und wissensintensiven Dienstleistungen befragt. Die Datenerhebung ist als Panelerhebung angelegt: Das bedeutet, dass Unternehmen über mehrere Jahre hinweg befragt werden, wodurch Veränderungen und Entwicklungen langfristig nachvollziehbar werden. Die Stichprobe der befragten Unternehmen wird dabei regelmäßig erneuert, um Ausfälle zu kompensieren und Repräsentativität sicherzustellen.

Die Erhebung liefert jährlich Daten zu einem breiten Spektrum an Innovationsaspekten, z.B.:

  • Innovationsbeteiligung: Welche Unternehmen führen Produkt- und/oder Prozessinnovationen im Betrachtungszeitraum ein?
  • Innovationsausgaben: Wie viel gibt ein Unternehmen für laufende, abgeschlossene und abgebrochene Innovationsaktivitäten aus (z.B. Personal- oder Sachkosten)?
  • Innovationserfolg: Welche Umsätze konnten Unternehmen mit Prozess- oder Produktinnovationen erzielen?
  • Innovationsplanung: Welche Innovationsaktivitäten und -ausgaben plant ein Unternehmen?
  • Innovationspartnerschaften: Welche Partnerschaften mit anderen Firmen oder Einrichtungen zu gemeinsamen FuE- oder anderen Innovationsaktivitäten hat das Unternehmen?

Darüber hinaus beleuchtet sie im Zweijahresrhythmus zusätzliche Themen wie Umweltinnovationen, KI, oder die Auswirkungen der Corona Pandemie.

 

Die jährliche Erhebung von Innovationsaktivitäten Berliner Unternehmen ermöglicht es, die Entwicklung der Innovationslandschaft Berlins im Zeitverlauf nachzuverfolgen und gleichzeitig Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit der Innovationsdynamik in Deutschland zu analysieren.

Alle Daten der Innovationserhebung Berlin seit 2012 stehen auf der Website der Technologiestiftung Berlin als Publikation und Datensatz zum Download zur Verfügung. Unter innovationsdaten.ts.berlin bereiten wir die Daten zudem grafisch anschaulich auf.

1 Es existieren verschiedene Innovationsbegriffe und auch die Oslo Manual Definition hat sich über die Jahre weiterentwickelt. So können beispielsweise nicht nur Unternehmen sondern auch Haushalte oder der öffentliche Sektor innovieren. Das Oslo Manual beinhaltet entsprechend eine breitere Innovationsdefinition, welche den Begriff „unit“ (dt.: Einheit) statt Unternehmen verwendet. „Unit“ steht hier generisch für den*die für die Innovation verantwortliche*n Akteur*in.

2 Englisches Originalzitat: „A business innovation is a new or improved product or business process (or combination thereof) that differs significantly from the firm's previous products or business processes and that has been introduced on the market or brought into use by the firm.“ (OECD/Eurostat 2018, para. 3.9)

3 Ein Innovationsindikator ist eine statistische Kennzahl, die ein Innovationsphänomen (z.B. Aktivität, Output, Ausgaben) innerhalb einer Grundgesamtheit oder einer Stichprobe für einen bestimmten Zeitraum oder Ort zusammenfassend beschreibt. Indikatoren werden i.d.R. korrigiert (oder standardisiert), um Vergleiche zwischen Einheiten unterschiedlicher Größe oder Struktur zu ermöglichen. (OECD/Eurostat 2018: 246-7)

Innovationen in Berlin

Nächtliche Großstadtatmosphäre mit befahrenen Straßen, die unter einer Brücke durchführt und beleuchteten Hochhäusern im Hintergrund.

Die Technologiestiftung stellt Politik, Verwaltung, Journalisten, interessierten Bürgern Zahlen, Daten und Fakten zur Innovation in Berlin zur Verfügung. Außerdem erstellt sie Studien, die Kompetenzen und regionale Chancen in einzelnen Technologiegebieten im Detail analysieren.