3 x nachgehakt: Andreas Krüger, Referent für Barrierefreiheit der Berlinischen Galerie
Wir stellen drei Fragen an Digital-Praktiker:innen, deren Themen uns bewegen. Diesmal an Andreas Krüger, der uns als Referent für Barrierefreiheit und Inklusion an der Berlinischen Galerie verrät, wie sich kulturelle Angebote so realisieren lassen könnten, dass sie visuell, auditiv und motorisch zugänglich sind.
Welche Schritte sind notwendig, damit Kulturinstitutionen ihre Angebote inklusiver gestalten und möglichst barrierefrei zugänglich machen können?
Um Kultureinrichtungen und ihre Programme wirklich inklusiv zu machen, muss ein grundlegendes Umdenken erfolgen. Barrierefreiheit darf nicht nur als ein technisches Detail oder eine Maßnahme für besondere Bedürfnisse verstanden werden – sie betrifft das gesamte Konzept, wie analoge und digitale Angebote gestaltet werden. Ein umfassender, diversitätsorientierter Ansatz ist gefragt, damit alle Menschen Kunst und Kultur jederzeit selbstbestimmt und ohne fremde Hilfe genießen können.
Gleichzeitig spielen bauliche Anpassungen eine wichtige Rolle, da sie die Mobilität und Orientierung von Menschen mit Behinderungen im Gebäude erleichtern. Ebenso wie eine Atmosphäre, die Offenheit fördert und diskriminierungssensibel ist. Das erfordert, dass Mitarbeitende geschult werden müssen, um bestehende Vorurteile und strukturelle Barrieren zu erkennen und aktiv abzubauen. Menschen mit Behinderungen sollten außerdem in die Planung und Entwicklung der Angebote einbezogen werden, da sie am besten wissen, was wirklich funktioniert.
Barrierefreiheit erfordert ein langfristiges Engagement und den gezielten Einsatz von Ressourcen – sowohl in personeller als auch finanzieller Hinsicht. Letztlich ist es ein Qualitätsmerkmal, das zeigt: Kultur ist für alle da.
Auf der diesjährigen kulturBdigital-Konferenz hast du zusammen mit Marie Lampe, Vorständin Sozialheld*innen e.V. // Referentin IncluScience eure Vision vorgestellt, wie ein Netzwerk aus Expert:innen mit Behinderung als Interessensvertretung die Qualität und Nutzbarkeit digitaler Kulturangebote prüfen könnte. Welche Chancen siehst du in diesem Modell für Berliner Kultureinrichtungen?
Die Gründung eines Berliner Netzwerks von Expert:innen mit Behinderungen ist ein vielversprechendes Modell zur Förderung digitaler Barrierefreiheit in Kultureinrichtungen. Die Bedarfe und Alltagserfahrungen der Mitglieder spielen dabei eine zentrale Rolle, um Angebote inklusiv und nutzer:innenfreundlich zu gestalten. Das setzt voraus, dass Selbstvertreter:innen entsprechend dem Motto „Nicht über uns ohne uns!“ von Anfang an als Berater:innen und Mitgestalter:innen einbezogen werden und mitwirken. Ein barrierefreies Umfeld und diskriminierungsfreie Strukturen sind entscheidend, damit sie eigenständig und gleichberechtigt am Netzwerk teilhaben können. Dafür braucht es ausreichende finanzielle Ressourcen, um beispielsweise Gebärdensprachdolmetschung oder barrierefreie Informationsformate bereitzustellen. Solche Maßnahmen ermöglichen, dass alle sich aktiv am Dialog beteiligen und den Abläufen folgen können. Darüber hinaus ist es essenziell, das Engagement der Expert:innen angemessen zu honorieren, um eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit zu fördern.
Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreien Informations- und Kommunikationstechnik-Gesetzes (BIKTG Bln) im Jahr 2019 sind öffentliche Stellen in Berlin, also auch Kultureinrichtungen, verpflichtet, digitale Barrierefreiheit umzusetzen. Die Herausforderungen sind für die meisten Kulturbetriebe ähnlich und werfen viele Fragen auf, etwa zur technischen Umsetzung, verständlichen Inhalten und universellem Design. Da das Wissen über Barrierefreiheit oft ungleich verteilt ist, kann ein gemeinsames Netzwerk diese Fragen gezielt klären, Prozesse beschleunigen und praxisnahe Unterstützung bieten. In Workshops, Schulungen und Usability-Tests lässt sich direktes Feedback zu Funktionalität und Bedienbarkeit der Angebote einholen, oder es können neue Lösungsansätze entwickelt werden. Gleichzeitig erleichtert ein solches Netzwerk den Austausch zwischen Einrichtungen, um die gesetzlichen Vorgaben gemeinsam anzugehen und innovative, zielführende Konzepte zu schaffen.
Ein Netzwerk wäre eine ideale Konstellation, um Wissen zu bündeln, zentrale Handlungsfelder zu identifizieren und die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit zu erleichtern.
Sind Berlins Kultureinrichtungen aktuell ausreichend auf das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vorbereitet und birgt die gesetzliche Verpflichtung nun Chancen für eine inklusivere Zukunft des Kulturbereichs?
Berlins Kultureinrichtungen stehen mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das 2025 in Kraft tritt, vor großen Aufgaben, aber auch vor einer echten Möglichkeit, Inklusion voranzubringen. Das Gesetz fordert, dass digitale Angebote wie Websites und Apps barrierefrei zugänglich sind. Dies betrifft inklusive Mediaplayer, Bildbeschreibungen von Grafiken genauso wie die Bereitstellung aller Inhalte in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache. Doch an vielen Institutionen mangelt es an Mitteln, Personal und Kompetenz, um sich den Anforderungen zu stellen. Dabei sollte Barrierefreiheit eigentlich selbstverständlich sein.
Kulturinstitutionen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Schließlich sollte jede:r die Möglichkeit haben, Kunst und Kultur ohne Einschränkungen gleichberechtigt zu erleben. Leider zeigt sich immer wieder, dass erst rechtliche Vorgaben Bewegung in solche Themen bringen. Allerdings reichen diese allein nicht aus. Entsprechende Maßnahmen müssten konsequenter kontrolliert und evaluiert werden – und genau daran hapert es oft. Inklusion bleibt so ein Flickenteppich und entwickelt sich nicht zu einem flächendeckenden Angebot. Das BFSG betrifft aber nicht nur digitale Medien für Kulturinteressierte, sondern auch Soft- und Hardware innerhalb der Kulturbetriebe. Deren technische Anpassung ist eine Grundvoraussetzung für Chancengleichheit und berufliche Teilhabe von Beschäftigten mit Behinderungen – etwa in der Verwaltung oder in der Wissenschaft.
Kultureinrichtungen sollten sich dem BFSG nicht nur verpflichtet fühlen, sondern die Gelegenheit nutzen, neue Maßstäbe für eine inklusive Kulturlandschaft zu setzen. Gerade jetzt bietet sich die Chance, Barrierefreiheit als echtes Potenzial zu begreifen, um Kultur für alle offener und zugänglicher zu machen. So kann Berlin zum Vorbild für eine moderne, gerechte und inklusionsorientierte Kulturszene werden.
kulturBdigital
Projekt zur Stärkung digitaler Kompetenzen des Berliner Kulturbereichs. Mit kulturBdigital vermitteln wir Praxiswissen zum Einsatz digitaler Technologien, zeigen Good Practice Beispiele auf und vernetzen Berlins Kulturakteur:innen spartenübergreifend.