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Soup & Science: Das immaterielle Theater

Franziska Ritter ist Szenografin, Mitbegründerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Masterstudiengangs „Bühnenbild_Szenischer Raum“ an der Technischen Universität Berlin und Beauftragte für Digitalität und Neue Technologien der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft. In unserem Lunchtalk-Format Soup & Science sprach sie mit Lena Petersen von rbb24 Inforadio über die Anwendung von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), um neue wissenschaftliche und künstlerische Formate zu ermöglichen – bei Aufführungen, Bauproben, in der Lehre oder in der Forschung.

Immersive Realitäten: Virtual und Augmented Reality

Wie unterscheiden sich diese beiden Technologien überhaupt? Und was steckt technisch dahinter? Zu allen Fragen rund um Augmented und Virtual Reality gibt es im folgenden Beitrag Antworten: Augmented Reality: Virtuelle Objekte in realen Räumen  

Digitalität auf der Bühne 

Findet das Anklang in der Kulturszene? Zwar würde sie noch nicht von einem breiten Einzug von AR und VR in Deutschland sprechen und doch lobt Franziska Ritter die Experimentierfreude der Theater hierzulande. Sie berichtet von einem Besuch der Aufführung „Orfeo ed Euridice“ am Staatstheater Augsburg: Wenn Orpheus in der Mitte des Stücks in die Unterwelt hinabsteigt, wird das Publikum aufgefordert, bereitgestellte VR-Brillen aufzusetzen, um für zehn Minuten selber den Abstieg in den Hades virtuell mitzuerleben, während auf der Bühne Handlung und Musik weiterlaufen. „Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie Digitalität am Theater schon gelebt wird in Deutschland.“  

Die studierte Architektin kommt auch auf das Forschungsprojekt „Im/material Theatre Spaces“ der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft zu sprechen. Im Rahmen dieses Projektes wurde unter anderem das ehemalige Große Schauspielhaus Berlin, eine der Theaterarchitektur-Ikonen der 20er Jahre und Vorgängergebäude des Friedrichstadt-Palastes, dreidimensional rekonstruiert. Gemeinsam mit Pablo Dornhege und ihrem digital.DTHG Team wurden drei Kurzgeschichten entwickelt, bei denen man mithilfe der VR-Brille eine Sängerin, einen Theaterbesucher und einen Lichttechniker begleiten kann und so einen Eindruck sowohl über die Architektur des mittlerweile abgerissenen Gebäudes als auch über das Zeitgeschehen gewinnen kann. 

In einem weiteren Projekt erforschte Franziska Ritter wie real physische Räume und digital immaterielle Räume als Gestaltungsmittel in Performances einsetzbar sind. Herausgekommen ist dabei mit „Spatial Encounters“ ein Prototyp, der die Konzerterfahrung in einen Dialog zwischen Publikum und Künstler:in entwickeln soll. Auf einer gemeinsamen Spielfläche erschaffen sechs bis neun Akteur:innen mit ihren Bewegungen in der virtuellen Welt Skulpturen, die von einem Musiker spontan interpretiert und gespielt werden.

Hinter den Kulissen 

Doch auch abseits der Bühne finden sich Anwendungsmöglichkeiten für AR und VR: Zum Beispiel als Arbeitswerkzeug für Theatertechniker:innen oder Bühnenbildner:innen, die so international zu einer virtuellen Bauprobe zusammenkommen können, unabhängig davon, wo sie sich gerade aufhalten. Oder als Lehr- und Lernraum: Im Rahmen einer Kooperation mit Studierenden des Studiengangs Theatertechnik an der Berliner Hochschule für Technik wurde deren real existierendes Theaterlabor digital nachgestellt, um Übungen, wie die Zusammensetzung eines Kettenzuges, virtuell durchzuführen. Das habe den Vorteil, dass die Komplexität von Apparaturen und Vorgängen anschaulich und praxisnah vermittelt werden kann und jede:r Studierende:r individuell in seinem Tempo an die Reihe kommen könne.  

„Klar ist das technologisch manchmal noch wackelig“, gibt die Expertin zu. Wichtig sei es, einen Plan B zu haben und auch dem Publikum zu vermitteln, dass es sich bei vielen dieser Projekte noch um erste Experimente handelt. Insbesondere appelliert sie für eine intensivere Wissensteilung in der Theaterszene, die oft auf Insellösungen setze: „Wir sind hier alle gemeinsam dabei, etwas zu kreieren und zu schaffen, lasst euch darauf ein!“ 

 

Der Lunchtalk Soup & Science ist eine gemeinsame Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin mit rbb24 Inforadio. Das Gespräch ist in der ARD-Audiothek als Podcast verfügbar.

Soup & Science

Eine junge Frau hat Kopfhörer in den Ohren, die mit einem Mobiltelefon verbunden sind.

Die Veranstaltungsreihe stellt Berliner Wissenschaftlerinnen und Ihre Forschungsthemen vor. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.