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S.O.S – Save Our Species - Pandabär, Nördliches Breitmaulnashorn und Co.

  • Veröffentlichungsdatum 02.03.2020
Annette Kleffel

Ein Blogbeitrag von Thomas Prinzler zum 105. Treffpunkt WissensWerte

„Was die Menschheit erlebt, ist das größte Artensterben seit der Mensch eine entscheidende Rolle eingenommen hat auf der Welt“, so der Biologe Josef Settele Leitautor des UN-Berichts zur Lage der Natur  vom Mai letzten Jahres.

Bis zu eine Million Arten könnten in den kommenden Jahrzehnten von der Erde verschwinden. „Das ist nicht alarmistisch sondern definitiv Status praesens“, sagt Dr. Andreas Knieriem, Direktor Zoo, Tierpark und Aquarium Berlin. Das sei ein starkes Statement im Erdzeitalter des Anthropozäns, das durch das Aussterben von sehr vielen Arten charakterisiert sei, stellt der Tierarzt Prof. Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung fest. „Aber ich glaube, dass dieses Artensterben in der Zukunft abnehmen wird, weil die junge Generation in letzter Zeit gezeigt hat, dass sie wesentlich verantwortungsvoller mit dem Planeten umgehen wird.“ Christoph Heinrich, beim WWF Deutschland für Artenschutz verantwortlich, verweist noch einmal auf die Dimension: „Wenn wir sagen, dass Arten aussterben, dann stirbt da nicht etwas Putziges aus, sondern es stirbt ein enormer Schatz, ein enormer Datenschatz aus, denn jede dieser Arten ist Träger von sehr komplexen biogenetischen Informationen.“ Dieser Schatz sei tausendmal wichtiger als Erdöl, so Heinrich, „und wir haben noch nicht begriffen, was wir da verlieren.“ Beispielsweise sind die Menschen nicht in der Lage, Insulin künstlich herzustellen, da sei man auf die Natur angewiesen.

Mengxiang, der „Ersehnte Traum“ und Mengyuan, der „Erfüllte Traum“ – oder Pit und Paul, wie die Berliner den Pandanachwuchs im Berliner Zoo nennen - sind nicht nur ein Erfolg für den Arterhalt des Großen Pandabären sondern als Symboltiere für die bedrohte Tierwelt insgesamt bedeutsam.

„Es geht dem Panda besser aber noch nicht richtig gut“, fasst Christoph Heinrich die Lage der 1800 wildlebenden Tiere zusammen. Das Wappentier des WWF braucht noch sehr viel Aufmerksamkeit und Schutz. Wichtig sei, betont Andreas Knieriem, das auch China das ernst nimmt, dass „sie die Fragmentierung auflösen, Populationsschutz und zuerst Habitatsschutz betreiben müssen.“ Thomas Hildebrandt hat als Experte für die künstliche Besamung großer Tiere die Entwicklung des Pandanachwuchses aktiv gestaltet. „Pandas sind nicht nur süß, sondern hochspannend“, sagt Hildebrandt, z.B. der Aufbau der Hoden, die größten in der Bärenwelt, und Erkenntnisse über Veränderungen wie Krebs lassen Rückschlüsse auf den Menschen zu.

Ausgestorben sind der mexikanische Grizzlybär, der Tasmanische Beutelwolf, das südafrikanisches Quagga und die Weihnachtsinsel-Spitzmaus. Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion über ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Tierarten ist ungleich länger, umfasst sie neben den Säugetieren unter anderem auch Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische und Insekten. Die Union geht von rund 81 Säugetierarten aus, die seit dem Jahr 1500 von der Erde verschwunden sind. Man wisse über die Säugetiere eben sehr viel, sagt Christoph Heinrich, „der weitaus größte Anteil aller Arten sind aber nicht Säugetiere, sondern Insekten und hier insbesondere Käfer, über die wissen wir sehr, sehr wenig.“ Man kenne noch nicht einmal die Zahl der Arten auf der Welt. Insgesamt seien 80–90% aller Arten noch nicht wissenschaftlich beschrieben und einige sind schonausgestorben noch ehe die Menschen von ihrer Existenz wussten. „Wenn der Weltbiodiversitätsbericht sagt, dass jede 4. Art gefährdet ist, dass 47% aller Ökosysteme gefährdet sind und dass eine Million Arten in nächster Zukunft vor dem Aussterben stehen, sind das hoch alarmierende Zahlen.“

Aber kommt es da wirklich auf eine Art mehr oder weniger an? Auf lange Sicht werde es dramatisch, meint Thomas Hildebrandt. Aus zerstörten Habitaten kämen Krankheiten wie AIDS, Ebola oder SARS, die schlummern in den Tieren für Jahrtausende. Und wenn diese Tiere - zum Beispiel Fledermäuse - auswandern, bringen sie sehr gefährliche Erreger mit, die die menschliche Weltgesundheit belasten. „Wir geben dann Milliarden aus, diese Krankheiten in den Griff zu bekommen. Wenn wir klüger und ökonomischer wären, würden wir diese Habitate  intakt lassen und die Erreger blieben in ihren Wirten, ohne uns je zu behelligen.“ Andreas Knieriem hält diese anthropozentrische Sicht nicht für die richtige: „Unsere Verantwortung liegt darin, dass wir die Welt, so wie wir sie heute kennen, unter Schutz stellen, dass nicht nur wir als Homo sapiens eine Zukunftsperspektive haben.“

Thomas Hildebrandt eröffnet diese Zukunftsperspektive besonders großen Tieren. Denn er ist weltweit dafür bekannt, dass er der Natur auf die Sprünge hilft, zum Beispiel Elefantenkühe künstlich besamt. Mit dem weltumspannenden Projekt BioRescue will er das als ausgestorben geltende Nördliche Breitmaulnashorn retten. Von dem gibt es nur noch 2 weibliche Exemplare, die keine Nachkommen bekommen können. Hildebrandt und Kolleg*innen erzeugen Embryos erfolgreich in der Petrischale, die dann durch Südliche Breitmaulnashornkühe ausgetragen werden sollen. Ziel sei es, „sie in vielleicht 20 Jahren wieder auszuwildern, um eine stabile natürliche Population zu erhalten.“

Sollte der Mensch aber so in die Natur eingreifen?

„Wir sind nicht die Retter der Welt“, sagt Hildebrandt, „aber wir liefern für eine ganz spezielle Tierart eine Lösung.“ Zustimmung von Christoph Heinrich vom WWF. „Wir sind froh, dass diese Option ausprobiert wird.“ Und er erinnert an die Arterhaltung und Auswilderung des europäischen Wisents, die durch Kooperation von Wissenschaftler*innen des IZW mit dem Zoo und WWF erfolgreich war. Andreas Knieriem betont die Aufgabe von Zoos und Tiergärten für den Artenschutz, denn die letzten verbleibenden Nördlichen Breitmaulnashörner konnten im tschechischen Zoo Dvur Kralove erhalten werden.

Könnten dann aber nicht auch ausgestorbene Tierarten wie das Mammut mit den Möglichkeiten der modernen Wissenschaft wieder zum Leben erweckt werden? Das sei eine schwierige Frage, auf die er keine Antwort habe, sagt Knieriem, die Grenzziehung sei schwer. „Irgendetwas in mir sagt, da gibt es eine Grenze, die mag nicht wissenschaftlich zu begründen sein, sondern ethisch. Eine Stimme in mir sagt, beim Mammut hat das nichts mehr mit Naturschutz zu tun.“  Es wäre eine Verfälschung der Tierwelt, meint Heinrich, „wir haben alle Hände voll zu tun, das Bestehende zu erhalten“. „If we could -  should we?“ Thomas Hildebrandt verneint diese Frage, die Thema einer internationalen Tagung war, „wir sind absolut dagegen…das ist Sensationslust.“

In der biblischen Geschichte wird von der Arche erzählt, mit der Noah alle Tierarten vor der Sintflut retten konnte. Welches Tier würden die Experten auf jeden Fall und zuerst mit in die Arche nehmen? Für WWF-Mann Christoph Heinrich erschließt sich die Sinnhaftigkeit der Frage nicht.

„Die kleinen Pandabären“, sagt jedoch Zoodirektor Andreas Knieriem, „und natürlich unseren Hund, da habe ich die Familie hinter mir.“ Thomas Hildebrandt würde einen Elefanten mitnehmen, „das ist für mich das intelligenteste Tier, so friedfertig, es hat einen besseren Verstand als wir Menschen.“ Aber eigentlich, sagt er, mache das keinen Sinn. „Wenn sie ein Tier retten, dann haben sie den Planeten nicht gerettet.“

Der Treffpunkt WissensWerte ist eine Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin und Inforadio (rbb), gefördert durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und die Investitionsbank Berlin aus Mitteln des Landes Berlin.