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„BIM - einfach machen!“

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 02.09.2022
Frauke Nippel

 
Die Diplom-Architektin Christine Proksch leitete die Komplettsanierung und den Umbau der DIN-Hauptverwaltung in der Burggrafenstraße in Berlin-Tiergarten. Als das Vorhaben startete, war Building Information Modeling (BIM) für sie kein Kernthema. Das änderte sich im Laufe der Arbeit: Das Projekt in der Burggrafenstraße wurde zu einem BIM-Pilotprojekt: BIM4FM. Heute ist das Vorhaben umfassend digital dokumentiert, das Facility Management arbeitet mit einem Digitalen Zwilling. Wie es dazu kam und weshalb Christine Proksch davon überzeugt ist, dass digitale Tools wie BIM und die DIN BIM Cloud die Bauwirtschaft und die Bewirtschaftung verändern werden, erzählt sie im Interview.

Die Diplom-Architektin Christine Proksch ist heute Geschäftsführerin der DIN Bauportal GmbH und war Projektleiterin der DIN Gebäudestrategie, zu der auch das BIM-Projekt gehörte. © DIN

Bevor wir über ihre Erfahrungen mit BIM und die DIN BIM Cloud sprechen, sollten wir den Begriff klären. Was steckt hinter dem Building Information Modeling und der BIM Cloud eigentlich?
 
Christine Proksch: Building Information Modeling ist Daten- und Informationsmanagement an einem 3D-Modell, an dem verschiedene Projektbeteiligte zusammenarbeiten können, von der Planung bis zur Bewirtschaftung von Gebäuden.
 
Die DIN BIM Cloud, die online zur Verfügung steht und zu der viele Softwarelösungen wie ArchiCAD bereits Schnittstellen anbieten, erleichtert diese Arbeit. Denn sie ermöglicht es, über eine Bibliothek praktisch alle verfügbaren Bauteile, von der tragenden Außenwand bis zur Brandschutzklappe mit ihren Eigenschaften und Merkmalen aufzurufen und in das Modell einzufügen. So kann man digital planen, kalkulieren, bauen und später auch bewirtschaften.
 
Das klingt aber sehr viel komplizierter als es ist. Ich sage immer: einfach machen.
 

© DIN

Da sprechen Sie aus Erfahrung, oder?
 
Christine Proksch: Ich weiß tatsächlich, wie kompliziert das Thema erscheinen kann, wenn man sich nur theoretisch damit beschäftigt. Für mich war BIM zunächst ein Teilaspekt in einem hinreichend komplizierten Bauvorhaben, um den ich mich eigentlich nicht besonders kümmern wollte. Da ich in ein laufendes Bauvorhaben eingestiegen war, gab es für mich mehr als genug Arbeit mit der Baustelle. Schließlich arbeiteten wir an einem Gebäudekomplex, dessen vier Bauteile in der Zeit von Anfang 1960 bis Anfang 1990 entstanden. Die Modernisierung und Anpassung an moderne Technik und Bürostrukturen erforderte auch massive Eingriffe in die Statik.
 
Erst nach circa drei Monaten, als klar wurde, dass es dafür noch keine klare Zuständigkeit gab, musste ich mich mit dem BIM-Thema beschäftigen. Wir haben dann erst mal einen Berater zugezogen und Workshops gemacht, um rauszufinden, was BIM ist und wie das geht.  Es blieb aber lange schwer fassbar.
 
Heute würde ich es anders machen. Ich sage immer: einfach machen! Und so sind letztlich auch wir ins Thema gekommen. Die Planung und das Bauen liefen ja schon. Um die Arbeit am Ende nicht in einer digitalen Schublade verschwinden zu lassen, habe ich entschieden, dass wir BIM für das Facility Management erstellen. Wir haben erst mal ein kleines Teil-Modell erstellt, um zu sehen, wo gibt es Probleme, welche Fragen ergeben sich.
 
Wir mussten entscheiden, welche Daten wir wie detailliert einfügen wollten und wie detailliert das Modell sein sollte. Ich würde aufgrund meiner Erfahrungen dazu raten, die 3 D-Modelle nicht mit Informationen zu überfrachten, sondern vorher festzulegen, welche Daten werden wirklich benötigt. Hinzufügen kann man später immer noch welche.  Aber wenn man die richtigen Daten einfügt, merkt man schnell, wie sehr BIM die Arbeit erleichtert. Wenn man das Gebäude erstmal digital erfasst hat, kann man damit ganz anders umgehen als mit einem analogen Plan.
 
Unser Facility Management arbeitet heute mit BIM im CAFM und ist froh und glücklich, diese Unterstützung bei der Bewirtschaftung des Gebäudes zu haben. Die notwendigen Daten konnten direkt aus dem Modell ins CAFM ausgelesen werden, das Modell zeigt, welches Bauteil zu welcher Anlage gehört und hat auch gleich die zugehörigen Daten. Das mühsame Suchen in Excel-Listen, Dokumentationsunterlagen oder Katalogen ist Vergangenheit.
 
Für mich sind die Vorteile der DIN BIM Cloud für BIM sehr offensichtlich:

  • Die umfangreiche Datenbasis der DIN BIM Cloud ist standardisiert, d. h. sie wird kontinuierlich mit der Erarbeitung des STLB-Bau (Standard Leistungsbuch Bau www.stlb-bau-online.de) an den aktuellen Stand der Baunormen angepasst.
  • Sie ist mit externen Links mit Baunormen und anderen Fachinformationen vernetzt.
  • Sie enthält Daten für das Planen, Bauen, Facility Management und den Rückbau, also den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes.
  • Sie unterstützt Open BIM, d. h. das BIM-Projekt kann mit verschiedenen BIM-Akteuren ausgetauscht werden und dabei spielt es (fast) keine Rolle, mit welcher Software sie arbeiten.
  • Sie bietet sehr viel spezifischere Informationen an als beispielsweise die IFC-Klassifizierung für die digitale Beschreibung von Gebäudemodellen dies leistet
  • und ich habe dafür gesorgt, dass auch die Daten aufgenommen werden, die das Facility Management benötigt (ab Oktober 2022). Verknüpfungen mit Daten zur Nachhaltigkeit sind in der Pipeline

 
Glauben Sie, dass die Digitalisierung mit Tools wie der DIN BIM Cloud die Bauwirtschaft ähnlich nachhaltig verändern wird wie andere Wirtschaftsbereiche?
 
Christine Proksch: Davon bin ich überzeugt und ich sehe diese Entwicklung sehr positiv, weil sie sehr viel Sinn macht. Letztlich kann mit der Digitalisierung des gesamten Prozesses von der Planung und Bewirtschaftung von Gebäuden bis zur Wiederverwertung von Baustoffen ein Kreislauf geschaffen werden, den wir viel effizienter steuern können als das in der Vergangenheit möglich war.
 
Ich weiß selbst aus der Praxis, dass es noch Lücken gibt, dass wir immer noch an der Datenerfassung in den verschiedenen Softwareanwendungen, vor allem aber auch an Schnittstellen arbeiten müssen, um das digitale Arbeiten so unkompliziert wie möglich zu machen. Zurzeit gehen die großen Planungsbüros und Generalunternehmer voran, die bereits große Gebäudemodelle und digitale Zwillinge schaffen – allerdings meist mit eigenen Datenbanken und vorgeschriebenen Software-Tools (closed BIM). Perspektivisch brauchen wir mehr Standards und Normen. DIN arbeitet in diese Richtung und sucht noch Experten, die daran mitwirken wollen.
 
Weiterführender Link: https://www.din-bim-cloud.de/